Fahrwerksvermessung
Technologisch hat sich bei den Systemen für die Fahrwerksvermessung in den vergangenen Monaten mehr getan als in Jahren davor und verstärkt drängt die präventive Vermessung des Fahrwerks in die Serviceannahme.
Es ist erstaunlich, mit welchen Trends sich die Fahrwerksvermessung in den vergangenen Jahren auseinandersetzen musste. Noch während sich die CCD-Technologie im Aufschwung befand, kamen ab 1998 die ersten Kamerasysteme auf den Markt. Zu der Zeit stiegen die Anforderungen an die Präzision eines Fahrwerksvermessungsarbeitsplatzes in der Werkstatt fast auf Laborniveau. Das Augenmerk richtete sich stark auf präzise justierte Hebebühnen. Die Kameratechnik wurde immer weiter entwickelt, kam aber noch nicht an die Präzision der CCD-Systeme heran. Und dann tauchten plötzlich berührungslos arbeitende Systeme auf der Bildfläche auf, erreichten aber für Jahre nicht die Serienreife. Stattdessen gab es einen Entwicklungssprung bei den Kamerasystemen und plötzlich schickten diese sich an die hochwertigen CCD-Systeme zu ersetzen. Die Verbannung der Messtechnik an die Wand und die Verwendung von stabilen Targets bei hoher Präzision sprach für die Kameratechnik. Zwischendrin feierten die Roboter-Systeme mit mechanischem Abgreifen der Einstellwerte ein Comeback, waren aber letztlich zu teuer für die Werkstatt. Als Kontrapunkt erschienen wieder mehr einfache, kostengünstige Systeme mit Skalen auf dem Markt.
Kameras lösten CCD-Geräte ab
Dann kam der berührungslos messende Roboter auf den Markt und setzte sich technologisch an die Spitze. Die Kamerasysteme übernahmen die Marktführung, CCD-Systeme wurden zu Einsteigerprodukten und die einfachen mechanischen Systeme waren auf einmal gar nicht mehr so einfach und arbeiteten fortan auch mit elektronischen Komponenten. Danach wurde es etwas ruhiger, die Werkstätten deckten sich ein und tauschten viele veraltete Systeme aus. Und statt die Vermessung als reine Reparatur zu betrachten, keimte der Gedanke Fahrwerksvermessungen präventiv durchzuführen. API aus Leipzig perfektionierte diese Idee mit dem berührungslos messenden Robotersystem und brachte ihm weitere Funktionen wie die Profiltiefenmessung bei. Das Fahrwerksvermessungssystem avancierte zum Annahmesystem. Es dauerte nicht lange bis Hunter zum Jahreswechsel 2011/2012 mit dem Quick-Check ebenfalls ein für die Annahme geeignetes, sehr schnell arbeitendes System mit Kameratechnologie präsentierte. Auf der Reifenmesse stellte Corghi dann als Ausgangsbasis für weitere Entwicklungen mit dem Remo ein berührungslos arbeitendes Roboter-System vor. Schließlich setzt Beissbarth auf der Automechanika noch eins drauf und präsentierte mit dem Touchless 2 ein weiteres Fahrwerksvermessungssystem für die Annahme, welches berührungslos arbeitet. Mit neuen, sehr leichten Reflektoren ausgestattet stellte Snap-on Equipment ebenfalls ein für die Annahme geeignetes Fahrwerksvermessungssystem mit Kameratechnik vor.
Gründe für präventive Vermessung
Es gibt viele gute Gründe die Einstellung eines Fahrwerks im Rahmen einer Annahme zu prüfen, schließlich werden Bremsen und Fahrwerk auch oft in diesem Zusammenhang getestet. Für die präventive Vermessung eines Fahrzeugs spricht der schlechte Straßenzustand vielerorts sowie die empfindlichen Fahrwerke moderner Automobile. Oft merken die Kunden selbst nicht, dass sie die Reifen schief abfahren oder das Fahrwerk verstellt ist. So ist es geschickt, wenn der Annehmer nach einem Schnellcheck gleich eine komplette Fahrwerksvermessung mit Einstellung verkaufen kann.
Es ist faszinierend zu beobachten, wie schnell sich die Einstellung eines Fahrwerks heute erfassen lässt. Ob die Vermessung in der Annahme Sinn macht, hängt allerdings stark von der Anzahl der Werkstatt-Durchgänge, dem Platz in der Annahme und der Organsisation in der Werkstatt ab. Bei größeren Betrieben lohnt sich ein fest installiertes Robotersystem eher. Bei kleineren Betrieben ist ein mobiles System, welches am Vormittag in der Annahme und am Nachmittag am Vermessungsarbeitsplatz in der Werkstatt eingesetzt wird, wahrscheinlich die bessere Alternative.
Wie eingangs beschrieben, hat der Markt für Fahrwerksvermessungssysteme in den vergangenen Jahren an Vielseitigkeit gewonnen. Wer heute ein Fahrwerksvermessungssystem sucht, findet eine beachtliche Angebotsfülle vor. Ein Knackpunkt bei der Auswahl eines geeigneten Systems sind die Präzision und der Umfang der zu erfassenden Messwerte. Wer Feinheiten wie die Vorspurkurve einer Vierlenkerachse messen möchte oder Garantiearbeiten für einen Fahrzeughersteller ausführen will, benötigt dafür ein anderes System als eine Werkstatt, welche nur an Rennwagen Spur und Sturz einstellen möchte. Und das päziseste Fahrwerksvermessungssystem ist immer nur so gut wie der Arbeitsplatz. Bei einer Investition in ein neues Fahrwerksvermessungsgerät sollte man auch immer an eine geeignete, präzise Vermessungsbühne denken. Scheren oder Viersäulenbühnen sowie Vierstempelbühnen sind dabei die gängigsten Optionen.
Fahrwerksvermessung ist im Grunde auch nur eine Form von Geometrie, bei welcher Daten erfasst und übertragen werden. Die heutigen Einstiegssysteme in die Achsvermessung bieten genau das. Auf verblüffend einfache Weise und mit beachtlicher Präzision lassen sich mit Skalen und Laserstrahlern die grundlegenden Einstelldaten erfassen. Bekannte Anwender solcher Systeme sind zum Beispiel Koch und Haweka. Für diese Systeme spricht neben ihrem günstigen Preis die gute Verständlichkeit des Messverfahrens. Ein Grund, warum diese Systeme auch in Berufsschulen so beliebt sind.
CCD-Systeme (Charge-coupled Device, was für lichtempfindliche Sensoren steht) galten noch vor wenigen Jahren als Hightech für die Fahrwerksvermessung. Bei diesen Systemen wird an jedem Rad ein Messwertaufnehmer mit einem Spannhalter befestigt. Meist kommen heute Achtfach-Sensorsysteme zum Einsatz. Dabei sind in jedem Messwertaufnehmer zwei CCD-Sensoren verbaut. Es ergibt sich dadurch ein geschlossener Messkreis rund um das Auto. Mit diesen Geräten lässt sich die Fahrwerksvermessung mit hoher Präzision durchführen und es lassen sich je nach Software viele Messwerte erfassen. Ein Nachteil ist die direkt am Rad erforderliche Montage der Messwertaufnehmer, welche schlecht auf Stöße reagieren. Das Angebot an CCD-Geräten spannt sich von günstigen asiatischen Systemen bis zu qualitativ hochwertigen Produkten aus deutscher Produktion.
Den größten Marktanteil halten aktuell die Kamerasysteme. Dabei werden an jedem Rad eines Fahrzeugs montierte Targets von zwei oder vier Kameras beobachtet. Vorteil dieser Systeme ist die radfern montierte Messtechnik. Die Kameras sitzen meist an stabilen Trägern oder direkt an der Wand. Die Reflektoren, welche heute fast auf Postkartengröße geschrumpft sind, sind robust, leicht und langlebig. Wird das Fahrzeug auf dem Vermessungsplatz verschoben, so ergeben sich aus der Veränderung der Bilder der Kameras die Einstellwerte. Gleichzeitig werden die Werte für alle vier Räder erfasst, was die Einstellarbeiten vereinfacht. Heutige Systeme arbeiten extrem schnell. Mit spezieller Software und geeigneten Targets ausgestattet, können diese Systeme für eine Schnellvermessung im Rahmen einer Annahme verwendet werden. Viele Automobilhersteller haben diesen Systemen ihre Freigabe für den Service erteilt. Bekannte Anbieter sind Hunter, Snap-on Equipment mit der Marke John Bean, Bosch/Beissbarth und Corghi.
Berührungslos ist begehrt
Die Königsdisziplin bei der Fahrwerksvermessung sind derzeit die berührungslos arbeitenden Systeme. Hier genügt es tatsächlich nur die Sollwerte eines Fahrzeugs einzugeben und dann entweder das Auto an den Kameras oder die Kameras am Auto vorbei zu bewegen. Der Vorteil dieser Systeme sind der Entfall der Rüstzeit sowie die Vermeidung des Risikos, ein Rad bei der Montage des Spannhalters zu verkratzen. Der Anwender muss die Messung lediglich überwachen oder mit dem Auto langsam an der Messtechnik vorbeifahren. Bequemer kann eine Vermessung nicht erfolgen. Allerdings sind die Systeme manchmal nur bedingt geeignet für die Einstellung des Fahrwerks. Bekannte Anbieter solcher Systeme sind API, Corghi und schon bald Beissbarth. Während API sein System vor allem im Bereich Annahme sieht und es für diesen Anwendungszweck immer weiter ausbaut, will Corghi sein Remo-System als Anfang einer Linie von werkstatttauglichen, berührungslos messenden Fahrwerksvermessungssystemen verstanden wissen. Beissbarth sieht sein Touchless 2 in der ersten Ausführung auch als Gerät für die Annahme. Allerdings werden die Münchner sich damit sicher nicht zufrieden geben und irgendwann eine vollwertige Werkstattversion folgen lassen.
So vielfältig das Angebot der Farwerksvermessungssysteme derzeit auch ist, wer weiß, was er will, findet das für ihn passende System sicher. Bernd Reich