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Steuererklärung

19.12.2012 12:02 Uhr
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Lenkassistenzsysteme: Hintergründe und Möglichkeiten

Moderne Lenksysteme können mehr als sie dürfen. Was sich in den letzten Jahren bei Regeln und Technik tat, was zudem möglich erscheint und was definitiv ausgeschlossen ist, erklärt dieser Beitrag.

Die Realisierung von automatischen oder autonomen Lenksystemen in Straßenfahrzeugen scheitert weni-ger an technischen Möglichkeiten, vielmehr stehen grundsätzliche juristische Aspekte im Vordergrund. Begründet sind diese in der heutigen Fassung des Wiener Weltabkommens aus dem Jahr 1968. Dessen Artikel 8 legt fest, dass

jedes Fahrzeug und jede Fahrzeugkombination einen Fahrer haben und

der Fahrer zu jeder Zeit die Kontrolle über sein Fahrzeug haben muss.

Eine Änderung dieser Grundsätze ist auch langfristig nicht zu erwarten, weil damit automatisch die Verantwortung vom Fahrer auf den Fahrzeughersteller oder den Bereitsteller der Infrastruktur überginge.

Es kann also nur darum gehen, in welcher Qualität Assistenzsysteme entwickelt werden, die den Fahrer vor kritischen Situationen warnen und eingreifen, wenn dieser das Erreichen physikalischer Grenzen nicht erkannt hat oder nicht erkennen konnte und eigenes Eingreifen einen Unfall nicht mehr verhindern würde. Die Diskussion, wie erlaubte Eingriffe aussehen dürfen, ohne dass die Verantwortung des Fahrers in Frage gestellt ist, muss in jedem Einzelfall geführt werden. So gibt es beim automatischen Notbremssystem unterschiedliche Philosophien:

Milderung eines unvermeidlichen Aufpralls oder

Vermeidung eines Aufpralls

Die Philosophie der Aufprallvermeidung hat womöglich Folgeunfälle zur Konsequenz, schließlich wird eine Vollbremsung ausgelöst. Um Haftungsansprüchen begegnen zu können, muss der Fahrzeughersteller Maßnahmen zur Dokumentation der zum Eingriffszeitpunkt vorherrschenden Verkehrssituation ergreifen.

Fahrzeuge im Individualverkehr können heute und in naher Zukunft also nur mit solchen Lenkassistenzsystemen bestückt werden, die sich im genannten gesetzlichen Rahmen bewegen und dem Fahrer die Möglichkeit lassen, ein Eingreifen des Systems zu übersteuern. Allerdings sind auch solche Systeme denkbar, die erkennen, wenn ein Fahrer nicht mehr in der Lage ist, das Fahrzeug zu kontrollieren (plötzlicher Ohnmachtsanfall etc.). Durch Eingriffe in Lenkung und Bremse bringen sie das Fahrzeug sicher zum Stillstand. Zu den konkreten gesetzlichen Anforderungen an Lenkanlagen in Kfz:

Im Jahr 2005 erfolgte eine Anpassung der UNECE-Regelung 79 (ECE R79); diese beschreibt technische Anforderungen und Wirkvorschriften für Lenkanlagen in über 25 km/h schnellen Fahrzeugen. Eine wesentliche Änderung in diesem Rahmen war – unter bestimmten Bedingungen – der Entfall der Forderung nach kontinuierlicher Beziehung zwischen Lenkradeinschlag und realem Lenkwinkel bei gleichzeitiger Zulassung von elektrischen Übertragungseinrichtungen anstelle der bisher geforderten formschlüssigen mechanischen Verbindung. Dadurch wurde die Anwendung der Vorschrift auf Lenkanlagen mit automatischer oder korrigierender Lenkfunktion möglich. Die Intention der Anpassung der ECE R79 ist in deren Einleitung verankert. Sie verdeutlicht zugleich den Rahmen für automatisierte Funktionen von Lenksystemen (vgl. Infokasten auf dieser Seite rechts).

Spielraum für Assistenzsysteme

Die Anpassung der ECE R79 wurde von deutscher Seite aus im Fachausschuss Kfz-Technik (FKT; ein Beratergremium des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) von Fachleuten der Fahrzeughersteller und der Technischen Dienste in Abstimmung mit den Behörden vorbereitet und anschließend in die Gremien der UNECE eingebracht. Die heutige Fassung der ECE R79 bietet für innovative Assistenzsysteme genug Spielraum. Keinen Spielraum bietet diese Vorschrift hingegen für autonomes Lenken. Wobei autonomes Fahren technisch durchaus möglich und sogar schon realisiert ist. Letzteres nur in geschlossenen Bereichen (Speditionshöfe etc.) oder auf landwirtschaftlich genutzten, öffentlich nicht zugänglichen Flächen. Eine Herausforderung kann sein, für autonomes Fahren konzipierte Fahrzeuge mit konventionellen Betätigungseinrichtungen für die Nutzung im öffentlichen Verkehr zulassungsfähig zu machen.

Relevant: Anhang 6 der ECE R79

Im Rahmen der Fahrzeug-Typprüfung wird die Funktionssicherheit der Systeme geprüft, die elektr(on)ische Steuerungen beinhalten. Für Lenkanlagen beschreibt Anhang 6 (Elektronikanhang) der ECE R79 die Anforderungen, die seitens des Herstellers zu beachten sind, um u. a.

Störungen im System zu erkennen,

geeignete Warnfunktionen für den Fahrer auszulösen,

notwendige Systemreaktionen einzuleiten, zum Beispiel den Übergang in einen für den Fahrer als beherrschbar eingestuften Hilfszustand unter Um-gehung des gestörten Teilsystems,

den Fehler im System zu dokumentieren und

Informationen zu vom Fahrer zu ergreifenden Maßnahmen auszugeben.

Abhängig von der Sicherheitsrelevanz, muss die Elektronik auch Komponentendefekte, Unterbrechungen oder Kurzschlüsse von elektrischen Leitungen außerhalb des Steuergeräts erkennen; das System muss sich selbst überwachen. Dabei sind auch Fehler zu erkennen, die zunächst nicht zur Beeinträchtigung des Lenkverhaltens führen, jedoch in Verbindung mit einem möglichen zweiten Fehler zum Systemausfall führen können.

Ulrich Schneider

Zur Person

Der Autor dieses Artikels vertritt die Technischen Dienste der TÜV im Auftrag des TÜV SÜD beim Fachausschuss Kraftfahrzeugtechnik (FKT) und nimmt in diesem Rahmen die Federführung von Sonderausschüssen wahr, u. a. die des Sonderausschusses Lenkan-lagen. Ulrich Schneider, Jahrgang 1947, studierte an der TU München Fahrzeugtechnik. Vor seiner Selbstständigkeit mit der Vehicle Certification Consulting GmbH, Nür-tingen (www.schneider-vcc.de), war er u. a. bei Bosch und beim TÜV SÜD beschäftigt.

ECE R79

Der technische Fortschritt, der Wunsch nach Verbesserung der Insassensicherheit durch Verzicht auf die mechanische Lenksäule und die Vorteile, die sich bei der Produktion ergeben, wenn die Betätigungseinrichtung für die Lenkanlage bei Fahrzeugen mit Links- bzw. Rechtslenkung leichter auf der anderen Seite angebracht werden kann, haben zu einer Überprüfung des herkömmlichen Verfahrens geführt, und die Regelung wird jetzt geändert, damit die neuen Technologien berücksichtigt werden können. So wird es jetzt möglich, Lenkanlagen ohne formschlüssige mechanische Verbindung zwischen der Betätigungseinrichtung und den Laufrädern zu konstruieren.

Anlagen, bei denen der Fahrzeugführer die Hauptverantwortung für das Führen des Fahrzeugs behält, aber von der Lenkanlage unterstützt werden kann, die durch Signale beeinflusst wird, die im Fahrzeug ausgelöst werden, werden als Fahrerassistenz-Lenkanlagen bezeichnet. Diese Anlagen können zum Beispiel eine automatische Lenkfunktion haben, die es dem Fahrzeugführer mit Hilfe passiver Infrastrukturelemente ermöglicht, das Fahrzeug auf einer idealen Spur zu halten (Spurführung, Spurhalteunterstützung), mit dem Fahrzeug bei niedriger Geschwindigkeit auf engem Raum zu rangieren oder das Fahrzeug an einer vorher festgelegten Stelle anzuhalten (Haltestellenleitsystem). Fahrerassistenz-Lenkanlagen können auch eine korrigierende Lenkfunktion aufweisen, die den Fahrzeugführer zum Beispiel vor dem Verlassen der gewählten Fahrspur warnt (Spurhalteassistent), den Lenkwinkel korrigiert, um das Verlassen der gewählten Fahrspur zu verhindern (Spurhalteunterstützung), oder den Lenkwinkel bei einem oder mehreren Rädern korrigiert, um das dynamische Verhalten oder die Stabilität des Fahrzeugs zu verbessern.

Bei jeder Fahrerassistenz-Lenkanlage kann der Fahrzeugführer sich jederzeit dafür entscheiden, die Assistenzfunktion durch einen bewussten Eingriff zu übersteuern, um zum Beispiel einem plötzlich auf der Fahrbahn auftauchenden Gegenstand auszuweichen.

Es wird davon ausgegangen, dass bei künftigen Techniken die Lenkung von Sensoren und Signalen beeinflusst oder gesteuert wird, die entweder im Fahrzeug oder außerhalb des Fahrzeugs erzeugt werden. In diesem Zusammenhang wurden Befürchtungen hinsichtlich der Hauptverantwortung für das Führen des Fahrzeugs und des Fehlens international abgestimmter Datenübertragungsprotokolle in Bezug auf die externe Steuerung der Lenkung geäußert. Daher ist nach der Regelung die allgemeine Genehmigung von Systemen mit Funktionen, mit deren Hilfe die Lenkung durch externe Signale gesteuert werden kann, die zum Beispiel von Baken am Straßenrand oder aktiven Elementen in der Straßendecke übertragen werden, nicht zulässig. Diese Systeme, bei denen die Anwesenheit eines Fahrzeugführers nicht erforderlich ist, werden als autonome Lenkanlagen bezeichnet.

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