Dach- und Heckboxen
Befragt nach Qualitäten oder Details von Dach- oder Heckboxen, sind die meisten Werkstattprofis diesbezüglich kaum schlauer als ihre Kundschaft. Informationen zu einer stark vernachlässigten Zubehör-Produktgruppe.
Anfang März rief die Werkstattkette ATU rund 1.700 Dachboxen zu- rück. Bei den unter dem eigenen Markennamen vertriebenen Dachboxen der Baureihe MAC 460 gab es Probleme mit den Verschlüssen. „Die Verschlüsse der Dachbox können versagen, das heißt, es kann passieren, dass ein Verschluss bricht und damit die Verriegelung nicht mehr gewährleistet ist“, erklärte ein Un- ternehmenssprecher auf Anfrage des On- line-Dienstes von asp Auto Service Praxis. Besonders unangenehm: Man musste den Weg über die Öffentlichkeit wählen, weil von den rund 1.700 Käufern lediglich etwa 450 namentlich bekannt waren und direkt angeschrieben werden konnten. Fehlerhafte Boxen wurden nicht repariert, die Kunden konnten ein Alternativprodukt auswählen. Das Beispiel ATU zeigt das Dilemma einer solchen Situation: Treten bei derartigen Transportsystemen Pro-bleme auf, werden zunächst Mitarbeiter in Autohäusern und Werkstätten damit konfrontiert – egal ob Einzelbetrieb oder Filiale einer Kette. Eine Box gehört zum Auto und ein Auto in die Werkstatt. Grund genug für eine intensive Recherche: Wer sind typische Kunden für Dach- oder auch Heckboxen? Was sind periphere Produkte, auf die man Kunden aufmerksam machen kann? Woran erkennt man Qualität und Pfusch? Welche Tipps kann man seinen Kunden mit auf den Weg geben?
„Im Prinzip ist jeder Verbraucher ein potenzieller Boxennutzer“, fasst Michael Mitschke vom Boxenhersteller Thule mit deutschem Sitz in Neumarkt/Oberpfalz die Situation stark vereinfachend zusammen. Mehr Differenzierung ist möglich:
Familien mit Kleinkindern im Urlaub,
Langzeiturlauber,
Wassersporter und
Wintersportler
sind die hauptsächlichen Zielgruppen für Dach- oder Heckboxen. Welche Boxenart zum Einsatz kommt, hängt stark von den Eigenheiten des Nutzers ab. Ist das Transportgut eher lang, hat das Fahrzeug keine Anhängerkupplung oder sollen auf ihr zudem Fahrräder transportiert werden, dürfte eine Dachbox die richtige Wahl sein. Ist hingegen am Fahrzeug eine Anhängerkupplung vorhanden, das Transportgut eher kurz und/oder der Kunde in seiner körperlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt, kommt eine Heckbox in Frage. Weil eine Heckbox wie beschrieben mit einer Anhängerkupplung in unmittelbarem Zusammenhang steht, aber nicht jedes Fahrzeug eine hersteller- oder im- porteursseitig fixierte Anhängelast besitzt – Stichworte: Kleinstwagen und Hybridfahrzeuge –, gibt es hierfür spezielle Lösungen, die den Boxenkunden nicht vorenthalten werden sollten (vgl. Infokästen rechts und auf Seite 12 unten).
ADAC und Stiftung Warentest
Zuverlässige Informationsquellen für die Qualität von Autozubehör sind erfahrungsgemäß der ADAC und die Stiftung Warentest. Deren letzte Boxentests liegen jedoch bereits eineinhalb bzw. achteinhalb Jahre zurück, so dass über die aktuellen Baureihen von Dach- und Heckboxen kaum Aussagen möglich sind. Auch in diesem Industriezweig werden die Pro-duktzyklen immer kürzer. Zu generellen Aussagen zum Thema Boxen war man beim Automobilclub jedoch bereit.
Carsten Graf, ADAC-Fahrzeugtechnik, beschreibt seine Testerfahrungen so: „Auf einen Blick kann auch der Werkstattprofi die Güte einer Dachbox nicht beurteilen. Dafür bedarf es schon umfangreicher Prüfungen im Labor. Die meisten Dachboxen-Halbschalen werden aus einem thermoplastischen Kunststoff, etwa Acrylnitril-Butadien-Styrol, kurz ABS, mittels Tiefziehverfahren herstellt. Die Stabilität der Hülle ist primär abhängig von der Stärke des Werkstoffs, der Form und der Materialqualität. Bei guten Dachboxen sind die Oberflächen des ABS-Materials mit Folie oder Lack vergütet, was UV- Schutz, Schutz vor chemischen Stoffen und einen verbesserten Schutz vor Kratzern gewährleistet. Nur sehr wenige Hersteller fertigen die Schalen der Dachboxen aus einem Verbundmaterial, etwa Glasfaser-verstärktem Kunststoff, kurz GFK. Vor-teile: haltbar und stabil. Nachteile: schwer und teuer. Bei Massenprodukten findet man diese Werkstoffe praktisch nicht. Bei den Beschlägen einer Dachbox wie Scharniere, Schlösser usw. kann der Werkstattprofi schon eher die Güte beurteilen: Schwächliche Konstruktionen oder mage-re Anbindungen an die Dachboxenschale, etwa nur vereinzelte so genannte Pop-Nieten, werden beim Kunden nicht lang halten.“ Die Erkenntnisse des ADAC-Mit-arbeiters in der Zusammenfassung:
Massenware aus ABS oder vergleichbarem Kunststoff, in besseren Fällen Oberflächenvergütung der Halbschalen mittels Folie oder Lack
wenige teure, aber hochwertige Boxen aus GFK-Material
Qualität der Boxen am besten an Details wie Beschläge erkennbar
Im Boxentest von November 2009 urteilte der ADAC: „Grundsätzlich gilt: Die teuren Produkte haben ... die Nase vorn. Denn Qualität hat ihren Preis. Die teuren Boxen jenseits der 250-Euro-Grenze sind spürbar hochwertiger verarbeitet und glänzen mit durchdachten Detaillösungen. ... Auch in der Handhabung liegen die teureren Produkte vorn – sie sind mit Schnell-Verschlüssen für eine schnelle und einfache Befestigung ohne Werkzeug auf dem Grundträger ausgerüstet. ... Für die richtige Montage und den sicheren Betrieb einer Dachbox ist eine gute Bedienungsanleitung von großer Wichtigkeit. ... Die Fahrtests offenbarten Schwächen der Be- festigung. Bei den Vollbremsungen aus Tempo 100 gab es noch keine Beanstandungen, aber bei den dynamischen Aus-weichtests trennte sich die Spreu vom Weizen.“ Soll das Zubehör-Angebotsspektrum einer Werkstatt/eines Autohauses auf Dach- und Heckboxen ausgeweitet oder dieser Bereich neu aufgestellt werden, sind bei der Auswahl eines geeigneten Herstellers neben Materialqualität und Verarbeitung folgende Punkte zu beachten:
Wasserdichtheit
Ladungssicherung (Anzahl und Qua-lität der Spanngurte)
Diebstahlschutz (Box und Inhalt)
Crashverhalten
einfache Montage/Demontage (auch von nur einer Person)
leichte Beladung/Entladung
verständliche Bedienungsanleitung
Nach Crash: „Werksinspektion“
Apropos Crash: Nach einem Unfall mit einer Dach- oder Heckbox empfiehlt man bei Thule, diese zur „Werksinspektion“ zu geben. Michael Mitschke: „Unfallschäden sind oft nicht sofort erkennbar, können aber im Fahrbetrieb ein Sicherheitsrisiko darstellen. Das heißt, ein verunfalltes Pro-dukt sollte ohne vorherige Prüfung des Herstellers nicht weiter verwendet werden. Es gibt aber auch kleinere Schäden, die der Verbraucher bei Vertragspartnern oder bei Thule selbst reparieren lassen kann.“
Und diese Tipps können Werkstatt- und Autohausprofis Dach- oder Heck-boxen-Kunden mit auf den Weg geben (Quellen: ADAC und Stiftung Warentest):
Ladung gleichmäßig in der Box ver-teilen und sichern, der Schwerpunkt sollte mittig zwischen den Grundträgern liegen (vorn und hinten nur leichtes Ladegut verstauen)
nässeempfindliches Ladegut besser im Kofferraum unterbringen
maximale Lasten von Box, Dach und Anhängerkupplung beachten
Höchstgeschwindigkeit: 130 km/h
mit Dachbox nicht schneller als 130 km/h fahren (Gründe: erhöhte Beanspruchung der Befestigungselemente und ebensolcher Kraftstoffverbrauch); der ADAC hat im Herbst 2009 auch den Kraftstoffmehrverbrauch von Dachboxen ermittelt. Zitat: „Bei 130 km/h ergibt sich für eine schmale Box ein Mehrverbrauch von etwa zwei Litern auf 100 km, eine breite Box bewirkt sogar einen Mehrverbrauch von fast drei Litern auf 100 km. Bei 100 km/h sind die entsprechenden Verbrauchssteigerungen etwa halb so hoch.“ Die Höchstgeschwindigkeits-Empfehlung der Stiftung Warentest lautet übrigens lediglich 120 km/h.
während der Fahrt in Intervallen die Befestigung der Box auf dem Grundträger prüfen, ggf. korrigieren
Gesamthöhe des Fahrzeugs mit Dachbox ermitteln und beachten, insbesondere bei Vans, SUVs und Geländewagen sowie in Parkhäusern, Tiefgaragen und Waschstraßen; spezielle Aufkleber im Innenraum (Armaturenbrett) helfen, sich rechtzeitig zu erinnern
die Gesamthöhe wirkt sich zudem bei Seitenwind und Ausweichmanövern negativ aus (erhöhter Schwerpunkt)
Träger nach Nutzungsende sofort de- montieren (Grund: vgl. Angaben zum Kraftstoffmehrverbrauch auf Seite 12); zur Lagerung einer Dachbox an der Garagendecke bietet Thule übrigens einen so genannten Boxenlift an
Dach- oder Heckbox im Bedarfsfall mit Wasser und mildem Reinigungsmittel gründlich reinigen und vor der Einlagerung gut auslüften; Tipp von Michael Mitschke: „Die Reinigung von Thule-Boxen erfolgt am einfachsten mit Was-ser und milder Seife, definitiv keine scharfen oder ätzenden Flüssigkeiten verwenden, um das Material und die Oberflächen nicht zu schädigen. Thule gibt auch diesbezüglich ausführliche Tipps in der Montageanleitung.“
Peter Diehl
▶ Probleme mit Dach-/Heckboxen? Konfrontiert werden zuerst Mitarbeiter von Autohäusern/Werkstätten
Mit Kugelhalsadapter
Geht nicht gibt‘s nicht
Für Pkw ohne hersteller- oder importeurseitig fixierte Anhängelast bietet Rameder aus Leutenberg in Ostthüringen Anhängerkupplungen, die im Auftrag des Handelshauses von GDW oder MVG gefertigt werden. Dabei werden die Automobilhersteller und -importeure nicht übergangen: „Nach Rücksprache und Freigabe durch den Hersteller/Importeur erfolgt die Umsetzung mit unseren Partnern“, erklärt die Antwort von Rameder auf eine entsprechende Anfrage von asp. Für diese Fahrzeuge ohne fixierte Anhängelast hat Rameder Anhängerkupplungen im Programm:
Audi TT Coupé (8J3)/Cabrio (8J9)
BMW 6er Coupé (E63)/Cabrio (E64)
BMW Z4 Coupé (E86)/Roadster (E85, beide bis 2009)
BMW Z4 (E89 ab 2009)
Citroën C1
Ford Ka
Mercedes-Benz CLC (CL203)
Mercedes-Benz CLS (C219)
Opel Tigra Twin Top
Peugeot 107
Toyota iQ
Toyota Aygo
Toyota Prius (in Vorbereitung)
VW Scirocco
In den meisten Fällen dürfte es Besitzern dieser Fahrzeuge nicht um das Ziehen eines Anhängers, sondern um den Transport von Boxen oder Fahrrädern gehen. Dennoch werden Kunden bereits bei der telefonischen Bestellung auf die meist relativ kleine Anhängelast hingewiesen, so Rameder. Zudem ist die im mitgelieferten TÜV-Gut-achten enthaltene, geprüfte Anhängelast in die Fahrzeugpapiere einzutragen.
Rameder Anhängerkupplungen und Autoteile GmbH & Co. KG
www.kupplung.de
▶ ADAC und Stiftung Warentest:
Letzte Tests liegen bereits eineinhalb bzw. achteinhalb Jahre zurück.
▶ Dachboxen-Halbschalen aus ABS: Die Oberflächen guter Dachboxen sind mit Lack oder Folie vergütet
Mit Spezialadapter
Ausschließlich für Fahrradträger
Ebenfalls für Pkw ohne hersteller- oder importeurseitig fixierte Anhängelast ist der „Grundträger für Fahrradträger“ von Bosal aus Viersen bestimmt. Dabei handelt es sich um ein fahrzeugspezifisches Gestell, welches, ähnlich einer Anhängerkupplung, vom Fachmann unter dem Heck des betreffenden Fahrzeugs zu befestigen ist. Der Unterschied zur Anhängerkupplung besteht darin, dass statt eines Kugelhals- ein Spezialadapter zum Einsatz kommt, der lediglich die drei Bosal-Fahrradträger Compact Eco, Basic Eco und Swing CK Eco aufnehmen kann. Im Gegensatz zu den Anhängerkupplungen von Rameder beschränkt sich die Bosal-Lösung auf Versionen für Kompakt- und Hybridfahrzeuge. Lieferprogramm:
Citroën C1 (ab 6/2005)
Daihatsu Cuore (ab 8/2007)
Ford Ka II (ab 12/2008)
Honda Insight (ab 2/2009)
Opel Agila (ab 4/2008)
Peugeot 107 (ab 6/2005)
Renault Twingo II (ab 3/2007)
Toyota Aygo (ab 6/2005)
Toyota Prius (ab 2006)
Bosal Deutschland GmbH
www.bosal.com
www.catalogue.bosal.com
▶ ADAC-Dachboxen-Test 11/2009: Die teuren Produkte lagen bei Qua-lität und Handhabung vorn
▶ Gesamthöhe Fahrzeug + Dachbox: Rund 50 Zentimeter mehr bei Parkhäusern und Tiefgaragen beachten
- Ausgabe 5/2011 Seite 10 (448.4 KB, PDF)