Rügt ein Kunde bei einem Neufahrzeug lediglich Bagatellprobleme, die nicht die technische Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs beeinträchtigen, sondern nur dessen Optik und Ausstattung betreffen, kann er nicht ohne Weiteres vom Kaufvertrag zurücktreten. Der Bundesgerichtshof hat am Mittwoch entschieden, dass die Frage, unter welchen Voraussetzungen bei einem gehäuften Auftreten von Mängeln ein sogenanntes "Montagsauto" vorliegt, der "wertenden Betrachtung durch den Tatrichter" unterliegt (BGH-Az.: VIII ZR 140/12). Und die entschieden im Streitfall alle zu Gunsten des Verkäufers eines fast 134.000 Euro teuren Wohnmobils.
Dem Kläger wurde das Fahrzeug Ende April 2009 ausgeliefert. Im Zeitraum von Mai 2009 bis März 2010 brachte er das Wohnmobil insgesamt dreimal zur Durchführung von Garantiearbeiten in die Werkstatt der Beklagten. Er rügte u.a. eine lose Stoßstange, das Lösen der Toilettenkassette aus der Halterung während der Fahrt, Flecken in der Spüle und schief sitzende Abdeckkappen der Möbelverbinder.
Mit Anwaltsschreiben vom 1. April 2011 erklärte der Kläger – nachdem er zwischenzeitlich weitere Mängel selbst beseitigt hatte und erneut Garantiearbeiten hatte durchführen lassen - den Rücktritt vom Kaufvertrag und rügte das Vorhandensein von fünfzehn Mängeln, deren Beseitigung nach den Erkenntnissen eines von ihm beauftragten Sachverständigen einen Kostenaufwand von 5.464 Euro netto verursachen würde. Der beklagte Händler wies den Rücktritt zurück und bot die Beseitigung vorhandener Mängel im Wege der Nacherfüllung an.
Ein Montagsauto ist ein hoffnungsloser Fall
Der Kunde vertrat dagegen die Auffassung, in Anbetracht der Vielzahl der insgesamt aufgetretenen Mängel sei der Rücktritt vom Kaufvertrag ohne vorherige Fristsetzung zur Mängelbeseitigung zulässig, da es sich um ein "Montagsauto" handele. "Ob ein Neufahrzeug im Hinblick auf die Art, das Ausmaß und die Bedeutung der aufgetretenen Mängel als 'Montagsauto' anzusehen ist, beurteilt sich […] danach, ob der bisherige Geschehensablauf aus Sicht eines verständigen Käufers die Befürchtung rechtfertigt, es handele sich um ein Fahrzeug, das wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und auch zukünftig nicht frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird", definierte der BGH nun in seiner Mitteilung die Voraussetzungen.
Die Vorinstanzen hätten im vorliegenden Fall eine Fristsetzung zur Nacherfüllung zu Recht nicht als unzumutbar angesehen, so die Karlsruher Richter. Den beanstandeten Mängeln sei "rechtsfehlerfrei lediglich 'Lästigkeitswert' beigemessen" worden. (ng)