Von Dietmar Winkler/asp AUTO SERVICE PRAXIS
So langsam läuft der Betrieb in Werkstätten und im Autohandel nach dem Corona-Stillstand wieder an. Jetzt müssen betriebswirtschaftlich die richtigen Weichen gestellt werden, sagt Michael Zülch, Inhaber des auf den Automotive Aftersales spezialisierten Beratungsunternehmens zülchconsulting GmbH, im Gespräch mit asp AUTO SERVICE PRAXIS.
asp: Herr Zülch, wie können Sie derzeit Kfz-Werkstätten unterstützen?
Michael Zülch: Zum einen geht es darum, dass wir für Kunden Informationen zusammenführen und ordnen. Aktuell bekommen Betriebe jeden Tag so viel Informationen von allen Seiten, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten. Hier haben wir eine Filterfunktion übernommen und stellen das Wichtige zusammen.
asp: Mit welchen Fragen kommen die Betriebe zu ihnen?
M. Zülch: Anfangs waren es vor allem Fragen zur finanziellen Absicherung und zum Erhalt der Liquidität. Viele Fragen bezogen sich auf die Einführung der Kurzarbeit und auf Anträge für Soforthilfen. Viele Unternehmen waren sich unsicher, ob sie förderwürdig sind und wie man den Antrag ausfüllt. Viele Betriebe sind mittlerweile diese ersten Schritte gegangen. Unser Ratschlag lautet: ganz egal, ob man aktuell den Bedarf sieht oder nicht – es ist auf jeden Fall wichtig, sich jetzt mit dem Steuerberater und der Bank zusammenzusetzen, um die weitere Perspektive zu besprechen.
asp: Wie ist die Situation in den Betrieben nach Ihren Erfahrungen?
M. Zülch: Viele frei Werkstätten arbeiten nach dem ersten Shut-Down und den anfänglichen Unsicherheiten relativ normal weiter – natürlich unter Einhaltung der notwendigen Hygienemaßnahmen. Die Betriebe sind da erfindungsreich was die Prozesse betrifft und bieten beispielsweise Hol- und Bringservices für Kundenfahrzeuge an.
Im K&L-Bereich haben die Werkstätten weniger gesteuerte Aufträge gesehen, ganz einfach, weil der Verkehr so stark eingeschränkt war. Hier hat die Auslastung merklich gelitten. Schönheitsreparaturen wurden von Privatleuten zunächst verschoben.
Im Reifenhandel ist die Reifenwechselsaison verzögert gestartet. Am meisten waren in den letzten Wochen definitiv der Automobilhandel und die angeschlossenen Werkstätten betroffen. Hier wird die Welt auch nach der Krise eine andere sein. Die Pandemie könnte dort wie ein Katalysator für einen Bereinigungsprozess wirken, der ohnehin schon im Gange war.
asp: Welche Überlegungen müssen Betrieb für die Zukunft anstellen?
M. Zülch: Die wichtigste Frage lautet für viele Unternehmen derzeit, wie die Liquidität gesichert werden kann. Aber um das Geschäft langfristig zu sichern, muss man sich die Kunden- und Kostenstruktur ansehen und analysieren, welche Geschäftsfelder künftig tragfähig sind. In einer systematischen Geschäftsfeldanalyse schauen wir darauf, ob die realisierten Margen und der Mix der Dienstleistungen noch stimmen, beispielsweise das Verhältnis von Karosserie zu Mechanik bzw. Lack oder ob es sinnvoll wäre, den Betrieb umzustrukturieren.
asp: Was schauen Sie sich im ersten Schritt an?
M. Zülch: Im Moment arbeiten wir viel über Videokonferenzen, das funktioniert auch ganz gut. Für die Statusanalyse benötigen Zahlen aus dem Warenwirtschaftssystem, daraus berechnen wir bestimmte Kennzahlen und vergleichen diese mit dem Branchenbenchmark. Daran sehen wir sehr schnell, wo was hängt.
Wir nutzen dazu den "Kennzahlenkompass", den wir als Online-Tool vor zwei Jahren zusammen mit Axalta speziell für die K&L-Branche ins Leben gerufen haben. Dieser zeigt anhand von rund 30 Kennzahlen wo ein Betrieb im Branchenvergleich steht auch anhand einer Ampelstruktur. Ein ähnliches Instrument entwickeln wir derzeit zusammen mit Continental für die freie Mechanik-Werkstatt.
asp: Was lesen Sie aus den Kennzahlen heraus?
M. Zülch: Wir sehen dann sehr schnell, ob der realisierte Stundenverrechnungssatz noch stimmt oder der Anteil gesteuerter Kunden im Verhältnis zur jeweiligen Ertragslage in Relation steht. Wie effizient sind die produktiven Kräfte in der Werkstatt, wie lange wartet der Betrieb auf sein Geld und wie hoch sind die Außenstände?
Wir entwerfen eine Liquiditäts- und Rentabilitätsplanung, die einem Betrieb im Gespräch mit der Bank helfen kann. Die meisten Banker sind heilfroh, wenn sie diese Informationen bekommen, sinnvoll aufbereitete Daten erleichtern ihre Entscheidung und es hinterlässt einen seriösen und unternehmerisch soliden Eindruck.
asp: Wie geht es in den nächsten Monaten weiter?
M. Zülch: Niemand kann das seriös voraussagen. Man wünscht sich, dass das wieder so wird wie vorher. Ich persönlich glaube aber, dass es so nicht sein wird. Es wird länger dauern, bis alles wieder läuft – frühestens im Sommer und auch nur wenn es keine Rückschläge durch die jetzt beschlossenen Lockerungen gibt.
Für die Betriebe heißt das, dass man sich Services überlegen sollte, die bisher vielleicht so nicht funktioniert haben – wie die erwähnten Hol- und Bringservices oder Vor-Ort-Fitting.
Wir müssen uns die einzelnen Geschäftsfelder und -prozesse differenziert anschauen und unterscheiden, was ist profitabel und was nicht. Es wird sehr viel wichtiger werden, die einzelnen Profitcenter anzuschauen. Bisher hat es vielleicht in der Summe gepasst – aber künftig geht so eine Subventionierung einzelner Geschäftsfelder nicht mehr auf.
Die Digitalisierung und Vernetzung der Prozessabläufe in der Werkstatt aber auch zum z .B. Steuerberater und die schnelle Analyse des operativen Geschäftes mittels aussagekräftiger Kennzahlen wird erheblich an Fahrt aufnehmen.
Vielen Dank für das Gespräch!