Wer im persönlichen Gespräch mit Arbeitskollegen über den Chef lästert, kann nicht wegen Beleidigung gekündigt werden, wenn der Chef davon erfährt. Denn ein Arbeitnehmer ist nicht dazu verpflichtet, ausschließlich positiv über seinen Arbeitgeber zu denken. Das stellte das Arbeitsgericht Essen klar und gab einer Kündigungsschutzklage statt (Az.: 2 Ca 3550/12).
Wie die Deutsche Anwaltshotline berichtet, war eine Mitarbeiterin über 17 Jahre im Marketing eines mittelständischen Unternehmens beschäftigt. Nach einer Firmenübernahme wechselte auch der Geschäftsführer. Der Mitarbeiterin, die als Vertraute des geschassten Geschäftsführers galt, wurde das Angebot unterbreitet, unter unveränderten Arbeitsbedingungen in einer anderen Gesellschaft der Unternehmensgruppe zu arbeiten. Der neue Chef stellte sie gleichzeitig frei und erteilte ihr Hausverbot.
Circa einen Monat später kündigte er schließlich der Arbeitnehmerin fristlos. In Telefongesprächen mit mehreren Kollegen soll sie den neuen Geschäftsführer als "Heini", "Pisser" und "hinterfotzig" betitelt haben. Die Ehrverletzung rechtfertigte nach Ansicht des Chefs die fristlose Kündigung. Die Mitarbeiterin hingegen bestritt die Äußerungen und wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage.
Das Arbeitsgericht Essen bestätigte zwar die grundsätzliche Rechtsauffassung des Arbeitgebers - eine Ehrverletzung liege jedoch in diesem Fall nicht vor. Selbst wenn man davon ausginge, die Vorwürfe wären wahr, würden sie keine fristlose Kündigung rechtfertigen. Die Ehrverletzung einer Beleidigung setze voraus, dass der Beleidigte von den Lästereien erfahren muss. Davon ging die Gekündigte aber in vertraulichen Telefonaten mit langjährigen und teilweise sogar befreundeten Kollegen nicht aus. Die Arbeitnehmerin konnte mit deren Verschwiegenheit rechnen. (asp)