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18.01.2008 12:02 Uhr
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Designschutz

Am 12. Dezember 2007 gaben EU-Parlamentarier einen wichtigen Impuls für eine Vereinheitlichung des Designschutzes und gingen einen großen Schritt in Richtung Liberalisierung des Ersatzteilmarktes. Die größte Hürde wartet allerdings noch: Die Unionsmitglieder müssen dem Beschluss mit qualifizierter Mehrheit zustimmen.

Die Novellierung der Designrichtlinie ist eines dieser Themen, die Wasser auf die Mühlen der EU-Skeptiker gießen. Kritiker der Europäischen Vereinigung fallen in diesem Kontext zuallererst die Begriffe Handlungsunfähigkeit und Bürokratisierung ein. Die Mitgliedsstaaten verfolgen nationale Interessen und behindern so eine einheitliche europäische Gesetzgebung. 1998 verabschiedete die Kommission eine Richtlinie zum Designschutz für die Fahrzeuge als Ganzes und für sichtbare Ersatzteile und stellte es den Mitgliedern frei, Designschutzanmeldungen für einzelne Ersatzteile durch eine allgemein gültige Reparaturklausel auszuschließen. Im Jahr 2003 begrüßten die Automobilhersteller das deutsche Gesetz zur Reform des Geschmacksmusterrechts, weil es diese Reparaturklausel nicht berücksichtigte. Diese Regelung sichert Herstellern also de facto ein Monopol bei der Produktion und dem Vertrieb von sichtbaren Ersatzteilen, wie etwa Windschutzscheiben, Stoßfängern und Scheinwerfern.

Die Umsetzung der europäischen Designschutzrichtlinie in nationales Recht geschah uneinheitlich. Diese Regelungen sind den Wettbewerbshütern in Brüssel ein Dorn im Auge und bereits im Jahr darauf forderte die EU-Kommission eine Novellierung der Designschutzgesetzgebung und durch die europaweite Aufnahme der Reparaturklausel eine Marktliberalisierung.

Angestrebte Harmonisierung

Einigen konnten sich die Kommissare und die Reformgegner, allen voran die Mitgliedsstaaten Frankreich und Deutschland, freilich nicht. Die Kompromisslösung, wonach den einzelnen Ländern Spielräume bei der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht eingeräumt wurde, bleibt umstritten. In Deutschland gelang es immerhin, der Automobilindustrie das Versprechen – in Form einer nicht rechtsverbindlichen Erklärung des VDA gegenüber der Bundesregierung – abzutrotzen, den Designschutz nicht gegen den freien Teilemarkt einzusetzen. In der Realität zeigte das Vorgehen von Opel gegen zwei Teilegroßhändler jedoch rasch, dass die Selbstverpflichtung eher ein Lippenbekenntnis denn eine ernstzunehmende Absichtserklärung war.

Inzwischen ist viel Spreewasser am Bundestag vorbeigeflossen, in der Debatte jedoch hat sich nichts Grundlegendes bewegt. Seit vergangenen Dezember aber ist aufgrund einer Entscheidung des Europäischen Parlaments (EP) frischer Wind in der Diskussion. Die Parlamentarier in Straßburg haben beschlossen, die Designrichtlinie dahingehend zu ändern, dass der Designschutz für Ersatzteile nach einer Übergangszeit von fünf Jahren in allen EU-Staaten abgeschafft wird. Nochmal zur Verdeutlichung: Die Rechtslage in Europa ist ein Flickenteppich. In Deutschland und 14 weiteren Ländern haben die Hersteller ein Produktmonopol für Ersatzteile: Für die Reparatur eines Unfallschadens dürfen Werkstätten beim Teilehandel nur vom Hersteller gebaute Originalteile oder Lizenzprodukte erwerben. In neun EU-Ländern hingegen gibt es für "must-match"-Teile keine markenrechtlichen Bindungen. In Spanien, Italien, Großbritannien und weiteren Ländern können die Werkstätten somit preiswerte Nachbauteile verbauen. Der EU-Ministerrat wird sich im ersten Halbjahr 2008 mit der Thematik befassen müssen.

Pro und Contra

Die Fronten jedenfalls sind geklärt: Die Befürworter des Status Quo, allen voran der Verband der Automobilindustrie (VDA), argumentieren in einer Pressemitteilung zum EP-Beschluss, die Abschaffung des Designschutzes sei "falsch verstandene Liberalisierung". Der Verband führt einen drohenden industriellen Nachbau von Autoteilen in Fernost ins Felde, sollte die Gesetzeslage geändert werden. Dadurch würden aber Arbeitsplätze und Wertschöpfung aus Mitteleuropa abgezogen. Außerdem habe die Industrie hohe Investitionskosten für das Fahrzeugdesign, diese Ausgaben könnten einzig durch umfangreiche Schutzregelungen refinanziert werden. Nicht zuletzt betont der VDA, dass die Verbandsmitglieder einen "verantwortungsbewussten Umgang mit Designschutzrechten" pflegten. Aufgrund der Zusicherung, Wettbewerber nicht zu benachteiligen, werde der freie Markt in keiner Weise behindert. Darüber hinaus stützt sich der Automobil-Verband auf die angeblich mangelhaften Qualitäts- und Sicherheitsstandards der Importware im Vergleich zu den Originalersatzteilen.

Die Befürworter einer Liberalisierung dagegen betonen, dass sich die Reparaturkosten nach einem Fall des Designschutzes deutlich verbilligen würden. Laut einer Studie vom Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA) könnten die Preise für Ersatzteile dann um sechs bis zehn Prozent sinken.

Kritik an der Regierung

Der Verband kritisiert den großen Einfluß, den die Automobilindustrie auf die Bundesregierung ausübt. Die Beeinträchtigung des Wettbewerbs beim Handel mit Ersatzteilen führe letztlich zu mangelnder Qualität und hohen Preisen, ist sich auch Oswald Metzger, ehemals grüner Bundestagsabgeordneter, sicher. Die Allianz für eine Aufnahme der Reparaturklausel in die deutsche Gesetzgebung ist parteiübergreifend. Die Verbände GVA und ZDK (Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe), der ADAC und Politiker aus den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen, der FDP sowie der Union unterstützen eine Harmonisierung in Richtung mehr Wettbewerb.

Einige gebrauchen deutliche Worte in der Debatte: "Die Bundesregierung macht sich auf schändliche Weise zum Steigbügelhalter der allmächtigen Autoindustrie", empört sich etwa Oswald Metzger. Mildere Worte findet Hartmut Röhl, der Präsident des GVA und Vizepräsident der europäischen Vereinigung FIGIEFA: "Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung sich von der mächtigen Lobby der Autoindustrie lossagt." Die Allianz von Regierung und Fahrzeugherstellern entziehe der mittelständisch strukturierten Kfz-Dienstleistungs-Branche jedenfalls die Existenzgrundlage, gibt Röhl in einer GVA-Pressemitteilung zu bedenken.

Ruf nach Liberalisierung

Der GVA fordert Rechtssicherheit. Die Automobilhersteller hätten sich mit einer unverbindlichen Zusage von der Einführung einer Reparaturklausel freigekauft. Die Zusage, wonach der Designschutz für sichtbare Karosserieteile nicht gegen freie Wettbewerber eingesetzt werden soll, würde gegenwärtig zwar weitgehend eingehalten. Doch geschehe dies nur aufgrund des schwebenden Gesetzgebungsverfahrens, um die Wettbewerbshüter nicht gegen sich aufzubringen, vermutet Röhl. Würde sich die Industrie jedoch mit ihren Vorstellungen durchsetzen, könnte dies als Blankovollmacht gesehen und ausgenutzt werden. Der GVA fordert die europaweite Einführung der Reparaturklausel und befindet sich damit in einer Stoßrichtung mit der EU-Kommission, dem EP und den bisher in dieser Sachfrage betrauten EU-Gremien und Ausschüssen.

Dem EP ist die Brisanz und Bedeutung des Beschlusses bewusst. Deshalb sprachen sich die Parlamentarier für eine Übergangsfrist von fünf Jahren aus. Manche EP-Mitglieder beantragten sogar eine Frist von acht Jahren. Dieser Vorstoß wurde allerding abgelehnt. Der GVA steht einer Übergangsfrist ablehnend gegenüber. Laut GVA-Sprecher Alexander Vorbau entbinde die Einigung auf europäischer Ebene die Autobauer von der Selbstverpflichtung. Es sei nicht ausgeschlossen, dass diese dann bis Fristende ihr Monopol einklagen und dem freien Handel Schaden zufügen könnten.

Mehr Vielfalt im Markt

Es sei wichtig, dass die Verbraucher zwischen einzelnen konkurrierenden Ersatzteilen wählen könnten, hieß es in der EP-Pressemitteilung zum Abstimmungsergebnis. Eine Öffnung des Marktes führe zu einer größeren Vielfalt des Ersatzteilangebots, wodurch den Betrieben sowie den Versicherungsgesellschaften und Verbrauchern eine größere Auswahl und niedrigere Preise bei sichtbaren Karosserieteilen eröffnet werde, so das EP in der Begründung. Martin Schachtner

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