Koordinierte Berufsschullehrer-Weiterbildung
Die Automobilindustrie unterstützt Berufsschulen bei der Qualifizierung des Lehrpersonals. Ein schönes Lehrstück in Sachen Kooperation inmitten einer eigentlich von Konkurrenzdenken geprägten Branche.
Seit dem Beginn der koordinierten Weiterbildung von Berufsschullehrern im Jahr 1986 ist die Zahl der teilnehmenden Unternehmen sprunghaft angewachsen. Waren am Anfang neben dem Automobilzulieferer Bosch nur eine Hand voll deutscher Automobilhersteller am Aufbau eines Wissenstransfers im Rahmen der dualen Berufsausbildung beteiligt, wird die Initiative mittlerweile von insgesamt 27 Industriepartnern getragen. Darunter auch zahlreiche Importeure japanischer und französischer Marken.
Nach den Worten von Claus-Peter Weigel, Leiter des Service Trainings Centers Plochingen (STC) beim Hauptkoordinator Robert Bosch GmbH, steht hinter diesen Qualifizierungsbemühungen der Wunsch der Industrie, das gute Serviceniveau zu sichern. Die Herausforderungen sind das hohe Innovationstempo und kurze Entwicklungszeiten. Diese erfordern einen nicht unerheblichen Weiterbildungsaufwand auch in der Servicewelt. Als Beispiele führte Weigel die elektronische Vernetzung im Fahrzeug durch Sicherheitssysteme sowie Komfortsysteme an.
Zielgruppenproblematik
Fortbildungsmaßnahmen bieten die verschiedenen Unternehmen zwar nicht erst seit den achtziger Jahren an, doch wurde vor 25 Jahren die Notwendigkeit klar, eigene Kurse für Berufsschullehrer einzurichten. Davor besuchten Pädagogen und das Werkstatt-Personal die gleichen Seminare. Beim Erfahrungsaustausch stellten die Anbieter jedoch fest, dass beide Gruppen sich in Wissensstand und Erkenntnisinteresse durchaus unterscheiden. Während sich etwa Berufsschullehrer in den Kursen für die Materialzusammensetzung der Komponenten interessieren, erkundigen sich Werkstattprofis im Allgemeinen nach praktischen Tipps zur tatsächlichen Lebensdauer der Teile und deren Reparatur bzw. Austausch.
Um die zahlreichen Lehrkräfte an den rund 1.000 Berufsschulen in Deutschland effizienter ausbilden zu können, einigten sich die Organisatoren auf ein so genanntes Multiplikatorenmodell: In Kooperation zwischen den Bildungs- und Kultusministerien auf Länderebene sowie den Herstellern und Zulieferern werden einzelne Lehrer in Kursen zwischen 12 und 20 Teilnehmern weitergebildet und beauftragt, das angeeignete Wissen an die Kollegen weiterzugeben. Die Hauptkoordination der kostenlosen Seminare liegt bei Bosch. Pro Land gibt es einen Koordinator aus dem jeweiligen Kultusministerium, der Teilnehmer benennt und entsendet. Um den inner- und interschulischen Wissenstransfer zu gewährleisten, werden die geschulten Lehrer z.B. in Bayern nach den Fortbildungen einige Tage freigestellt, um die Unterrichtsmaterialien aufzubereiten und an die Kollegen vor Ort weitergeben zu können. Die Nachbereitung ist von Land zu Land teilweise unterschiedlich.
Umfangreiches Kursangebot
Über 12.000 Berufsschullehrer wurden rechnerisch seit 1986 in Deutschland auf diese Weise geschult. Da jeder Multiplikator im Durchschnitt etwa fünf bis sechs weitere Berufsschullehrer erreicht, konnten nach Bosch-Kalkulationen insgesamt über 78.000 Informationskontakte zu Berufsschullehrern hergestellt werden. Die insgesamt 61 Trainingseinheiten des Jahres 2011 orientieren sich am Inhalt der Hersteller-spezifischen Schulungsangebote und auf produktbezogene Technik. Ein Themenbereich bezieht sich auf „Motor und zugehörige Elektronik“. In diesem Kurs vermitteln Experten der Hersteller z.B. das Benzin- oder Diesel-Motormanagement. Ein weiteres Gebiet stellen „Antrieb und zugehörige Elektronik“ dar. Darin erläutern beispielsweise Fachkräfte von ZF Funktion, Instandhaltung und Austausch des Acht-Gang-Automatik-Getriebes. Darüber hinaus sieht der Lehrplan die Bereiche „Fahrwerk und zugehörige Elektronik“, „Elektrik und Elektronik“ oder „Sonderkurse für verschiedene Systeme“ vor. Der letzte Punkt umfasst z.B. Hybridsysteme oder Komfortelektronik.
Das Konzept ist übrigens exportorientiert: Aktuell wird es in Tschechien und Spanien umgesetzt. Eine weitere Ausdehnung auf Polen oder die Türkei ist nicht unwahrscheinlich. Martin Schachtner
▶ Zielkonflikt: Unterschiedliches Erkenntnisinteresse bei Berufsschullehrern und Serviceprofis
Service Training Center Plochingen
Moderne Schulungseinrichtung
Die deutschen Weiterbildungen organisiert Bosch im Service Training Center (STC) Plochingen. Das schwäbische Trainingszentrum ist eines von weltweit über 45 Lehr-Standorten. Im Rahmen der koordinierten Lehrer-Weiterbildung fanden dort 2011 Seminare zur „Elektronischen Motorsteuerung“, „Dieseleinspritzung“ und „Bosch Kfz-Prüftechnik“ statt. Darüber hinaus führt das Unternehmen pro Jahr mehr als 100 weitere Schulungen für Werkstattprofis durch. Um die didaktischen Anforderungen im theoretischen und praktischen Bereich noch besser zu schultern und eine Steigerung von derzeit rund 3.500 Kursteilnehmern pro Jahr zu bewerkstelligen, baute das Unternehmen Anfang 2011 aus. Hinzugekommen sind zwei Schulungshallen mit einer Größe von je 180 Quadratmetern. Neu ist auch die Vernetzung der Testsysteme in den Hallen. Damit könnten die Teilnehmer Abläufe simulieren, hieß es in einer Mitteilung. Besonders stolz ist man auf das moderne E-Learning-Modul, mit dem sich Kursteilnehmer im Vorfeld theoretisches Basiswissen aneignen. Im anschließenden Praxistraining wird das Know-how dann angewendet und vertieft.
▶ Multiplikatorwirkung: Hersteller unterrichten Lehrer, die ihrerseits das Know-how in die Schulen tragen