Serie Service-Berater Teil 10
Ob eine Leistung teuer oder preiswert ist, liegt nur bedingt im Auge des Betrachters. Entscheidend ist auch, wie dem Kunden eine Leistung verkauft wird und wie seine persönliche Preis-Leistungs-Bewertung ausfällt.
Alle wollen nichts bezahlen!“ ist ein typisch deutscher Spruch mit Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Und gleichzeitig der falscheste, um es mal mit dem rheinischen Superlativ zu sagen. Machen wir uns eins klar: Jeder Konsum über die notwendigen Grundnahrungsmittel und Kleidung hinaus entspringt dem Wunsch, genau dies oder das kaufen zu wollen. Sicherlich ist das bei Neuware etwas einfacher, da emotional positiv belegt. Bei den Dienstleistungen, wie sie eine Werkstatt anbietet, ist die Motivation des Kunden zwar eine andere, aber nicht weniger starke. Nämlich die, dass jemand sein Problem löst. Und je dringender die Probleme der Kunden sind, desto mehr ist ihnen die Lösung wert. Halten wir also fest: Was eine Werkstatt leistet, ist wertvoll! Und damit seinen Preis wert. Es muss den Mitarbeitern in der Werkstatt klar sein. Dass der Kunde nicht mehr als notwendig bezahlen will, ist doch völlig klar. Und dass es immer auch Kunden gibt, die alles zu teuer finden, ebenfalls. Klar fallen die Sparer und Nörgler mehr auf als die freiwillig Zahlenden. Ihnen aber mehr Aufmerksamkeit zu schenken ist schlichtweg falsch.
Preis-Leistungs-Verhältnis
Im Grunde genommen ist die Bewertung, ob etwas teuer ist, immer eine Gefühlssache – genannt Preis-Leistungs-Verhältnis. Zur Bewertung dieses Verhältnisses bedient sich unser Gehirn gerne so genannter Ankerheuristiken. Zum Beispiel erscheint ein Stundenverrechnungssatz von 70 oder 80 Euro im Lichte des eigenen Stundenlohnes von, sagen wir mal 17 Euro, als extrem hoch. Und da sagt sich unser Hirn nicht: „Ja klar, der hat auch eine Werkstatt und teures Werkzeug. Da muss es so viel kosten.“ Ist unserem Hirn egal. 70 Euro pro Stunde ist teuer. Und weil 70 minus 17 gleich 53 Euro Gewinn ist, wie wir alle wissen, gönnt der Kunde uns das schon mal gar nicht. Daher ist die Nennung eines Stundenverrechnungssatzes nicht besonders glücklich. Viel besser ist da, die Kosten für die Lösung des Problems zu benennen. Es geht immer um die gleiche Frage: Welche Gesamtleistung ist welchen Preis wert. Und nicht darum, wie viel Stunden Mechaniker der Kunde kaufen muss. Wenn das in der Summe zu hoch ist, geht es darum, die durch Finanzierung wieder auf ein erträgliches Maß zu bringen. Aber das hatten wir schon in Teil 6 der Serie (vgl. asp 4-2012, S. 55).
Kundenzufriedenheit und Preis-Leistungs-Verhältnis
Eine nicht unerhebliche Rolle beim Preis-Leistungs-Verhältnis spielt die Kundenzufriedenheit. Hier wird es nun völlig schwammig. Wenn die Werkstatt also die Zufriedenheit des Kunden kennt, kann sie sich auch ein Bild über das gefühlte Preis-Leistungs-Verhältnis machen. Wie kommt sie zu der Erkenntnis? Indem sie dies aktiv abfragt. Am Beispiel eines aktuellen Falles möchte ich das darstellen: Ein Autohaus nutzt das internetbasierte Kundenzufriedenheits- und Reklamationsprogramm EKG (Elektronische Kunden-Gefühlsmessung). Hier werden fünf kurze Fragen an den Kunden gestellt, die er nach Schulnoten beantwortet. So auch die nach dem Preis-Leistungs-Verhältnis. Im aktuellen Fall liegt das von den Kunden zurückgemeldete Preis-Leistungs-Verhältnis bei 1,3! Die Frage nach der Preiswürdigkeit dieser Werkstatt hat sich damit intern doch schon geklärt. Hier braucht sich niemand wegen einer Rechnung zu schämen. Auch, wenn der ein oder andere Kunde die Werkstatt für zu teuer hält. Soviel zu dem eigenen Selbstbewusstseinsaufbau.
Preis-Leistungs-Bewertung kommunizieren
Schön wäre es, wenn alle Kunden wüssten, wie die Durchschnittskunden diese Werkstatt in Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis bewerten. Nun – kein Problem! In unserem aktuellen Fall war es nun die Aufgabe, im Sichtbereich des Kunden in der Annahme einen entsprechenden Aushang zu platzieren, an dem die aktuellen Kundenzufriedenheitswerte angezeigt werden. Schaut nun ein Kunde auf diese Ergebnisse und sieht, wie der Durchschnitt der Kunden die Preiswürdigkeit der Werkstatt bewertet, dann hat er ja fast schon eine moralische Verpflichtung, selber auch die Werkstatt unter dem Aspekt hoher Preiswürdigkeit zu sehen, da er ja sonst offensichtlich ein Außenseiter ist. Nun weiß also sowohl der Serviceberater als auch der Kunde, dass die Preise in Ordnung sind. Wenn das mal keine hervorragende Ausgangssituation ist, um sich nun intensiv um das Problem des Kunden zu kümmern. Und bei unserer Beispielwerkstatt klappt das hervorragend. Für weitere Information: hensch@resultnetworks.de
Zufriedene Kunden kaufen Qualität
Und nicht zuletzt tritt noch ein Effekt auf. Zufriedene Kunden mit dem sicheren Gefühl, nicht zu viel zu bezahlen, geben auch mehr Geld für Qualität aus. Hören wir also auf damit, allen Kunden die gleichen billigen Angebote zu machen. Schauen wir uns lieber an, wie zufrieden der Kunde ist, und bieten ihm eben seinem Preis-Leistungs-Empfinden nach die entsprechenden Produkte an. Vielleicht für den Herbst: Für den Sparkunden der Wintercheck für 29,90 Euro, für den zufriedenen Kunden der „sicher durch den Winter-Komplett-Service“ inkl. Wintercheck, Räder- und Fußmattenwechsel, Rostinspektion, Scheibenwaschflüssigkeitswechsel und Türschlossenteiser im Handschuhfach für nur 119 Euro. Und alles dazwischen ist natürlich auch erlaubt. Aber eben nicht weniger. Denn – Sie sind es wert! Georg Hensch
Leserservice
Ratgeber in Serie
Der hier veröffentlichte zehnte Teil unserer Serie ist der letzte der Artikel in der Serie zum Thema Serviceberater. Zur besseren Übersicht für unsere Leser hier die Liste aller bislang erschienenen Beiträge der Serie:
asp 11-2011, S. 58, „Im Würgegriff“ Teil 1 über die Belastungen, denen Serviceberater in ihrem Job ausgesetzt sind
asp 12-2012, S. 56, „Im roten Bereich“ Teil 2 über die Frage, ob statt mehr Aufträgen pro Tag nicht mehr Umsatz pro Auftrag erstrebenswert wäre
asp 1-2012, S. 55, „Stille Stunde“, Teil 3 über Sinn und Unsinn eines Service-Berater-Arbeitstages ohne Leerlaufzeit zum Planen, Vor- und Nachbereiten
asp 2-2012, S. 56, „Von Laien für Laien“, Teil 4 über den unauslöschlichen Glauben, Werkstätten müssten schon bei der telefonischen Terminannahme präzise den Reparaturumfang vorhersagen können
asp 3-2012, S. 72, „Prüfungsangst“, Teil 5 über den Unsinn, Kunden bei der Direktannahme mit einer gnadenlosen Zustandsbeschreibung ihres Fahrzeugs zu verschrecken
asp 4-2012, S. 55, „Mach´s ihm leicht“, Teil 6 über die Angst des Serviceberaters, einen hohen Preis zu nennen, und über das ungenutzte Werkzeug Reparaturkostenfinanzierung
asp 5-2012, S. 64, „Wird nicht so schlimm“, Teil 7 über das zu selten genutzte Instrument der Reparaturgarantie
asp 6-2012, S. 68, „Dienst am Kunden“, Teil 8 über die richtige Kommunikation mit dem Kunden in der Direktannahme und die abschreckende Wirkung von Technik-Kauderwelsch
asp 7-2012, S. 52, „Wie versprochen“, Teil 9 über die Bedeutung einer präzisen Auftragsannahme, die eine Rechnungserläuterung entbehrlich macht