Finanzielle Zeitbombe

17.05.2013 12:02 Uhr

Geldanlage

Niedrige Anlagezinsen können Unternehmer in erhebliche Schwierigkeiten bringen. Insbesondere dann, wenn Lebensversicherungen zur Tilgung von Unternehmenskrediten abgeschlossen wurden. Aufgrund der aktuellen Zinslage, können hier erhebliche Deckungslücken entstehen.

Es ist duchaus üblich, dass Unter-nehmer im Vertrauen auf stabile Zinssätze in der Zukunft in der Vergangenheit Lebensversicherungen abgeschlossen haben, deren Beiträge quasi als Tilgungsersatz für parallel beantragte betriebliche Kredite „zweckentfremdet“ wurden. Statt die üblichen Kreditzinsen zu zahlen, wurden mit diesen nicht geleisteten Raten Lebensversicherungen „angespart“ und sollten später, so die ursprüngliche Planung, zur Rückzahlung „auf einen Schlag“ der dann fälligen Kredite verwendet werden. Darüber hinaus, so lautete oft die (meist unverbindliche) Prognose der Versicherungsverkäufer, dürfte noch ein mehr oder weniger erheblicher Betrag übrig bleiben, der dann zur freien Verfügung des Versicherungsnehmers bzw. der versicherten Person stünde.

Vorhersage und Wirklichkeit

So weit die Theorie. Die Praxis sieht dagegen bei einer Vielzahl von Lebensversicherungen völlig anders aus. Woher soll das Geld auch kommen? Herkömmliche und zumindest weitgehend sichere Geldanlagen geben kaum Zinsen her und spekulative Anlageformen sind den Versicherungsunternehmen nur in begrenztem Umfang erlaubt. Bleibt der Griff in versicherungstechnische Reserven, der naturgemäß ebenfalls endlich ist und keine tatsächliche Lösung auf mittlere oder sogar auf längere Sicht verspricht. Unternehmer, die sich in der Vergangenheit zu einer solchen Kombination aus Kredit und Lebensversicherung entschlossen haben, wären also gut beraten, sich dieser „finanziellen Zeitbombe“ mit allen Konsequenzen kurzfristig zu stellen und sich zunächst einmal einen Überblick zu verschaffen, der das genaue Ausmaß an möglichen Verlusten verdeutlicht.

Standmitteilungen sorgfältig prüfen

So ist aus den regelmäßig versandten Standmitteilungen der Versicherer meist bereits erkennbar, wie sich das bisherige Versicherungsguthaben im Laufe der vergangenen Jahre oder sogar Jahrzehnte entwickelt hat. Üblich ist darüber hinaus eine Erläuterung, welche dieser Werte später verbindlich zur Auszahlung kommen und welche Werte lediglich von unverbindlicher Natur sind. Diese Zahlen dienen bereits als wichtige Anhaltspunkte zur Ermittlung einer eventuellen späteren Deckungslücke.

Darüber hinaus können die Versicherungsunternehmen zumindest annähernd ermitteln, wie sich das bisherige Guthaben einschließlich zukünftiger Überschüsse bis zum Versicherungsablauf entwickeln wird, wenn die Zinsen beispielsweise auf dem aktuellen Niveau verbleiben. Alternativberechnungen mit zum Beispiel wieder steigenden Zinsen sind zwar ebenfalls möglich. Wichtig ist aber eine weitgehend realistische Einschätzung zu erwartender Zinssätze, die aus heutiger Sicht für die kommenden zwei, drei Jahre eher wenig Gutes erwarten lässt. Es gibt derzeit nämlich kaum Hinweise darauf, dass sich die wichtigen Notenbanken von ihrer Niedrigzinspolitik verabschieden. Da auch von der Inflationsseite her zumindest aktuell keine ernsthaften volkswirtschaftlichen Bedrohungen auszugehen scheinen, muss erst einmal mit weiterhin niedrigen Zinssätzen gerechnet werden. Im Übrigen dürfte es je nach Versicherungsunternehmen selbst bei wieder moderat steigenden Zinsen schwerfallen, angemessene Erträge zu erwirtschaften. Wie sollen derartige Erträge auch aussehen, wenn in der Vergangenheit Sätze zwischen fünf, sechs oder mehr Prozent üblich waren?

Verantwortungen klären

Wichtig ist in dieser Situation die persönliche bzw. schriftliche Kontaktaufnahme mit der Bank bzw. mit dem Versicherer, die sich ja, vertreten durch ihre Mitarbeiter, beim damaligen Vertragsabschluss ebenfalls an dieser Finanzkonstruktion beteiligten. Hieraus ist je nach Einzelfallprüfung gegebenenfalls eine Mitverantwortung herzuleiten. Sinnvoll kann außerdem die Prüfung der Verträge sein, aus denen hervorgehen müsste, wie die spätere Kreditrückzahlung erfolgen sollte und ob der Kunde und Kreditnehmer auch für Deckungslücken überhaupt in Anspruch genommen werden könnte. Interessant wird es darüber hinaus meist dann, wenn seitens des Anbieters sogar verbindliche Wertentwicklungen zugesagt wurden, die mit der Wirklichkeit letztlich aber doch nichts mehr zu tun haben, die aber dennoch erfolgten.

Falls erforderlich, sollte dieser Fragenkomplex idealerweise im Einvernehmen mit der betroffenen Bank bzw. Versicherung einer juristischen Prüfung unterzogen werden.Wenn dagegen im Ergebnis tatsächlich mit einer Deckungslücke gerechnet werden muss, geht es für den Unternehmer um Schadensbegrenzung. Diese kann durchaus auch darin bestehen, für den verbleibenden Betrag einen neuen Kredit mit einem günstigen Zinssatz und – aus Schaden wird man bekanntlich klug – mit möglichst regelmäßigen Tilgungsraten, zu beantragen.

Alternativmodelle recherchieren

Trifft die Bank bzw. das Versicherungsunternehmen eine vielleicht auch „nur“ moralische Mitverantwortung an dieser Situation, dürften die Chancen dazu durchaus gegeben sein.

In den meisten Fällen wäre sicher die vollständige Rückzahlung des Darlehens aus eigenen finanziellen Mitteln die beste Lösung. Auch dazu sollte zunächst eine Bestandsaufnahme sämtlicher Vermögenswerte erfolgen, auf die zurückgegriffen werden kann. Wichtig ist, dass es bei der Prüfung derartiger Vermögenswerte keine Tabus geben sollte. Selbst mögliche Verkäufe von Immobilien sollten ebenso durchgerechnet werden wie ein Rückgriff auf Anlageformen, die ursprünglich einem anderen Zweck wie beispielsweise der eigenen finanziellen Altersabsicherung galten. Ob es dann tatsächlich zu einer radikalen Lösung kommt, ist ja keineswegs sicher. Im Ergebnis ist erst einmal das Gesamtkonzept entscheidend, das häufig ohnehin mit einem Kompromiss endet und aber leider ebenso häufig mit einem Verlust an (finanzieller) Lebensqualität einhergeht.

Exkurs: Sicherheit bei Geldanlagen

Eine wie auch immer definierte Geldanlage heute noch als „sicher“ zu bezeichnen, dürfte derzeit nur schwer zu vermitteln sein. Immerhin können sich Unternehmer aber beispielsweise bei der Banken- und Versicherungsaufsicht (bafin.de) nach der wirtschaftlichen Lage jener Bankinstitute und/ oder Versicherungsunternehmen erkundigen, bei denen sie Konten, Wertpapierdepots bzw. Lebens- und Rentenversicherungen führen. Die Bafin kann sagen, in welchem Umfang diese Werte zumindest nach grundsätzlicher Definition des Begriffs „Sicherheit“ noch abgesichert sind.

Vor allem bei den letztgenannten Versicherungen muss klar sein, welcher Anteil des aufgebauten Vermögens dem Kunden zusteht und welcher Anteil als unverbindlich auszuweisen ist. Ebenfalls sollte jedem Unternehmer klar sein, welche möglichen Entschädigungen die Einlagensicherungen der mit ihm arbeitenden Kreditinstitute konkret vorsehen, wenn eine Bank in finanzielle Schieflage geraten würde. Michael Vetter

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