Serviceberater Serie ‚ Teil 8
Serviceberater sollen Kunden beraten und deren Probleme lösen. Das heißt nicht, selbst technische Probleme am Fahrzeug zu lösen, denn dafür sind sie erstens nicht zuständig und zweitens kann man es Kunden nicht berechnen.
Da steht er, der Nachbar mit einer Zündkerze in der Hand und fragt den Techniker, ob die hartnäckige Weigerung seines Rasenmähers gegen das Anspringen daran liegen könnte. Das ist der Startschuss für jeden Techniker! Ein Problem ist zu lösen. Was kann wichtiger sein? Also – den eigenen Rasenmäher aus und erst mal sehen, was denn der vom Nachbarn hat. Nach einer halben Stunde steht der Techniker nass geschwitzt am Starterkabel – der Nachbar schaut interessiert zu und wenn der Mäher dann endlich läuft noch ein paar Runden Testfahrt, eine Flasche Bier und der Techniker muss sich dann fragen, warum der eigene Rasen eigentlich nicht gemäht ist. Deute gegenüber einem Techniker ein Problem an und du hast ihn an der Problemlösung. Ohne Rücksicht auf Verluste!
Fatale Kombination – Serviceberater und Techniker
Was das mit dem Serviceberater zu tun hat? Nun – die meisten Serviceberater haben zuvor eine technische Ausbildung genossen und dann noch ein paar Jahre als Monteur gearbeitet. Erst danach sind sie Serviceberater geworden. Die Grundmotivation zur Berufswahl liegt beim Techniker nun mal nicht im Umgang mit Menschen, sondern im Lösen von technischen Problemen. Und so versuchen Legionen von Serviceberatern, das technische Problem am Kundenauto und eben nicht das persönliche Problem der Person vor ihnen zu lösen. Redet der Kunde was von Klappergeräuschen vorn links, interessiert den Techniker die Ursache mehr als der Kunde. Doch das ist grundverkehrt.
Gefühlt kostenlose Arbeit
Denn erstens ist der Serviceberater nicht dazu da Diagnosen zu stellen, sondern Kundenprobleme zu lösen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Schuhe. Und zum zweiten – und das ist wirtschaftlich relevant: Alles was ein Serviceberater im Zuge der Annahme macht, ist für den Kunden gefühlt kostenlos. Wenn also ein Serviceberater mit dem Kunden zwanzig Minuten eine Probefahrt unternimmt, den Fehlerspeicher ausliest, oder das Fahrzeug teildemontiert, um der Fehlerursache auf die Schliche zu kommen, dann glaubt der Kunde nicht ernsthaft, dass diese Leistung zu bezahlen ist. Um es deutlich zu sagen: Serviceberaterleistung hat für den Kunden keinerlei verrechenbaren Wert. Warum also sollten wir uns hier mehr Mühe machen als notwendig? Oder andersherum: Ein Serviceberater mit Diagnosti-kerzügen ist wirtschaftlich fragwürdig!
Der Libero, für Diagnostik keine Zeit
Für die Diagnose haben wir Diagnostiker, die genau dafür bezahlt werden. Blöd nur, dass diese Mitarbeiter so eine Art Libero sind, die auf jeder Position spielen und jede Arbeit machen können und von daher als Allererstes verplant sind. Daher haben die auch keine Zeit, die Diagnose im Anschluss oder während der Direktannahme zu machen und somit sofort verrechenbare Leistung zu generieren. Genau das aber wäre von Vorteil, da der Serviceberater dann dem Kunden sofort „gefühlt berechenbare“ Leistung verkaufen könnte, indem er dem Kunden quasi sofort den „Chefmechaniker“ verkauft. Dumm nur, wenn der Chefmechaniker gerade eine Türverkleidung abschraubt oder ähnliche Allerweltsarbeiten durchführt.
Wie machen es andere Branchen?
Betrachten wir mal den Tiefbau. Und da die Baggerfahrer. Wenn der Baggerfahrer nicht gerade zur Toilette muss, dann steigt der nicht ab. Der baggert, auch weil die Baggerstunde eben teuer ist und hat noch einen Helfer, welcher mit der Schaufel bewaffnet unterstützt. Oder Heizungsbauer: Die arbeiten mit sogenannten Kolonnen aus Fachkraft und Helfer, der im Zweifel schon mal den Durchbruch macht oder den Schlitz in die Wand meißelt. Sie bilden also ein Team aus Spezialist und Helfer. Und auch in der Medizin gibt es den Assistenzarzt, der das Herz schon mal freilegt und den Chefarzt, der die Herzklappe einnäht. Und dann wieder entschwindet und sich um das kümmert, was seiner Qualifikation entspricht.
Das Diagnoseteam
Warum also können nicht auch wir ein Diagnoseteam, beispielsweise aus einem Auszubildenden und dem Diagnosetechniker bilden. So ist der Auszubildende aktiv in den Reparaturablauf integriert, lernt selbstverantwortliches Arbeiten und der Diagnosetechniker hat die notwendige Zeit, den Serviceberater zum einen zu entlasten, zum anderen aber auch viel näher am Kunden zu sein und diesem allein schon durch das Anstempeln des Auftrages zu signalisieren, dass das, was jetzt kommt, Geld kostet. So schafft man es als Serviceberater nebenbei auch, die Kundenwünsche ungefiltert in die Werkstatt zu bekommen und nicht zuerst mit dem Kunden und dann nochmal mit dem Diagnosetechniker eine Probefahrt machen zu müssen. Welch eine enorme Zeitersparnis für den Serviceberater!
Verwaltungschef statt Technikfreak
Daher sollten sich die Serviceberater heute vielmehr als Verwaltungschef und nicht mehr als technische Kernkompetenz im Kittel sehen. Er muss dem Kunden das Gefühl, ja die Sicherheit geben den besten Diagnostiker für das Fahrzeugproblem und die beste Lösung für das Kundenproblem zu haben. Und das darf, ja es muss sogar Geld kosten. Was nichts kostet, ist schlicht wertlos!
Die Macht, verschenken zu können
Und wenn wir schon was verschenken wollen, dann sollte der Kunde das wirklich auch als Geschenk wahrnehmen. Will sagen, wenn der Serviceberater frühzeitig den Diagnosetechniker einbindet. Und selbst wenn der das durch einen Handgriff beheben kann, dann haben wir die Macht das zu berechnen oder dem Kunden „aktiv“ zu schenken. Behebt es der Serviceberater, dann war gefühlt nichts dran.
Behebt es der Diagnosetechniker mit Auftrag aber ohne Berechnung, dann war es Gott sei Dank nicht so schlimm. Und sie haben noch was gut beim Kunden.
Wenn also verschenken, dann mit ein bisschen Herz, aber mit sehr viel Verstand. Und ansonsten verbringen Sie lieber Ihre Zeit mit Leistung verkaufen und Rechnungen schreiben. Das ist der Job!
Georg Hensch