Qualitatives Rating
Unternehmer sollten sich bei der Kreditbeurteilung ihrer Banken nicht nur auf die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen konzentrieren. Unser aktueller Praxisfall zeigt, warum.
Für Betriebsinhaber Robert M. bildeten neben den monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) bisher vor allem regelmäßige Rentabilitäts- und Liquiditätsberechnungen die wesentlichen Grundlagen seiner Kreditwürdigkeit. Als sein Vater vor fast zehn Jahren den Betrieb an ihn übergab, tat er dies mit dem Selbstverständnis des Unternehmers, dass „Umsatz und vor allem Gewinn eben immer stimmen müssen“. M. übernahm diesen Ansatz fast schon wie selbstverständlich und lebt auch heute noch danach. Gesichtspunkte, die wesentliche Eigenschaften des Unternehmers vor allem als Führungskraft sowohl gegenüber seinen Mitarbeitern und Kunden als auch gegenüber seinen Banken abbilden und die mit der Bilanz und dem damit verbundenen Zahlenwerk zunächst wenig zu tun haben, zählten bisher dagegen nicht zu seinen Stärken.
Unbefriedigendes Rating
Das wird während des letzten Bilanzgesprächs deutlich, das M. gemeinsam mit seinem Steuerberater einmal im Quartal mit dem für ihn zuständigen Kundenberater seiner Hausbank führt. Zu seiner Überraschung erhält er vom Berater die Information, dass sein betriebliches Rating wie schon in den vergangenen Jahren ein „gerade noch ausreichend“ sei. Diese Note drückt sich auch in seinen Kreditkonditionen aus. So zahlt er für den für ihn wichtigen Überziehungskredit auf dem Betriebskonto derzeit einen Zinssatz von zwölf Prozent pro Jahr, während erstklassige Sätze bei etwa sieben bis acht Prozent liegen. Schon während der vergangenen Jahre habe die Bank darauf hingewiesen, dass sie nicht nur großen Wert auf stabile wirtschaftliche Zahlen, sondern auch auf jene Faktoren lege, die sich im so genannten „Qualitativen Rating“ (siehe Kasten) wiederfinden. Mit denen hat sich Robert M. bisher noch nicht richtig anfreunden können. Bisher hat er sich vor allem um seine Kunden gekümmert und darüber hinaus persönliche Schwerpunkte bei der Akquisition von Neukunden gesetzt. Außer ihm ist für diese zeitaufwändige Tätigkeit nur noch der einzige Prokurist des Betriebs verantwortlich, der seinerseits aber auch als Personalchef tätig ist. Da dieser Teil seines Aufgabenbereichs bereits viel Zeit in Anspruch nimmt, bestreitet letztlich M. selbst nahezu sämtlichen Aufwand, der mit einer Neukundengewinnung verbunden ist.
Umfangreicher Nachholbedarf
Immerhin scheint bei M. nun aber die Einsicht zu wachsen, den umfangreichen Bereich des „Qualitativen Ratings“ nicht länger zu vernachlässigen und sich endlich detailliert mit Inhalten seiner Unternehmensführung auseinanderzusetzen. Hier besteht Nachholbedarf vor allem in der strategischen Ausrichtung des Betriebs und in den damit verbundenen wichtigen Bereichen der Planung und Steuerung. So fehlt im Betrieb bislang ein funktionierendes Controllingsystem genauso wie ein Früherkennungssystem für potenzielle Risiken. Auch sein Informationsverhalten und die damit verbundene Transparenz sind verbesserungsfähig. Details über Umsätze, Kosten und Erträge sowie über geplante Investitionen teilt Unternehmer M. bisher lediglich seinem Prokuristen mit, der seinerseits angewiesen ist, gegenüber den übrigen Mitarbeitern zurückhaltend mit diesen Informationen umzugehen.
Regelmäßige Mitarbeitergespräche und daraus resultierende individuelle Beurteilungen gibt es darüber hinaus ebenso wenig wie konkrete Fortbildungspläne. Seminarbesuche wurden bisher fast ausschließlich kurzfristig bewilligt und orientierten sich eigentlich immer an den jeweils aktuellen betrieblichen Notwendigkeiten. Immerhin hat sich M. vor einigen Monaten dazu entschlossen, ein betriebliches Vorschlagswesen einzuführen. Er verspricht sich durch die damit verbundenen attraktiven finanziellen Anreize auch einen Motivationsschub jedes Einzelnen seiner 30 Fachkräfte.
Während des Bankgesprächs wird M. ebenfalls mitgeteilt, dass zukünftige Kreditvergaben sowie die jeweiligen Kreditkonditionen auch vom kurzfristigen Aufbau vor allem eines Controlling- bzw. Steuerungssystems abhängig sein werden. An der Höhe des Kreditzinssatzes des Überziehungskredits „wird sich auf Grund der aktuellen Situation nichts ändern“, wird M. zudem mitgeteilt.
Diese deutlichen Worte und die angedeuteten Konsequenzen zeigen bei M. Wirkung. Nach einer internen Abstimmung mit seinem Steuerberater wird er sich kurzfristig um einen Unternehmensberater bemühen, dessen betriebswirtschaftliche Beratungsschwerpunkte in seiner Branche liegen. Gemeinsam mit Hausbank und Steuerberater soll dann ein Unternehmenskonzept erarbeitet werden, in dem sich die Anforderungen seines Kreditgebers weitgehend wiederfinden werden.
Kommunikation verbessern
Ob sich bei M. damit allerdings die tatsächliche Einsicht verbindet, sein unternehmerisches Handeln zu verändern, oder ob die Veränderungen fast ausschließlich auf den Druck seiner Hausbank zurückzuführen sind, muss sich erst noch zeigen. M. wäre jedenfalls gut beraten, vor allem sein bisheriges Kommunikationsverhalten einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
Michael Vetter
Was bedeutet
Qualitatives Rating
Neben dem so genannten „Finanzrating“ (quantitatives Rating), das auf Basis des Jahresabschlusses bzw. der Einnahme-Überschuss-Rechnung ermittelt wird, bildet das qualitative Rating vor allem die strategischen Stärken und Schwächen des Unternehmers ab. Hinzu kommen Informationen zum jeweiligen Fachbereich ebenso wie Details zur Kontoführung und Überlegungen zur Sicherung der späteren Betriebsnachfolge. Ziel ist es, den Betrieb möglichst als Gesamtheit zu erfassen und abzubilden. Auf diese Punkte des qualitativen Ratings, die je nach Bankinstitut bei Kreditgesprächen intensiv thematisiert werden, sollten Unternehmer und Betriebsinhaber besonders achten:
Unternehmensstrategie
Organisationsstruktur
Mitarbeitermanagement
Kontoführung
Ertrags-, Liquiditäts- und Investitionsplanung
Informationsverhalten
Controllingsystem
Wettbewerbssituation
Kundenanalyse
Risikoanalysen