Sparzwang

15.07.2011 12:02 Uhr

Bosch-Motorpresse-Kolloquium

Während des traditionellen Motorpresse-Kolloquiums, stattgefunden Anfang Juni auf dem Prüfgelände in Boxberg bei Bad Mergentheim, skizzierte Zulieferer Bosch seine Sichtweisen zur Zukunft von Verbrennungsmotor, Elektromobilität und Fahrerassistenz.

Die meisten nachhaltigen Entwicklungen in den Autos stammen von den Zuliefern. Wer wissen will, was unsere Autos morgen unter dem Blech tragen, was sie antreibt, sparsamer, sicherer und komfortabler macht, für den gehört ein Besuch des Motorpresse-Kolloquiums bei Bosch quasi zum Pflichttermin im Jahreskalender. Über 300 Journalisten aus gut 40 Ländern lud das Unternehmen dieses Mal zum inzwischen 60. Motorpresse-Kolloquium in der Unternehmensgeschichte auf das Prüfgelände nach Boxberg ein. Die zentralen Themen umfassten im Wesentlichen, was Bosch im Geschäftsbereich Kraftfahrzeugtechnik (30 Mrd. Euro Umsatz in 2011, 167.000 Mitarbeiter weltweit) derzeit am meisten beschäftigt: CO2-Reduktion beim Verbrennungsmotor, Elektromobilität sowie Fahrerassistenz- und Sicherheitstechnik.

Bezogen auf den Verbrennungsmotor war schon vor zwei Jahren von Bosch zu hören, dass sich der Kraftstoffverbrauch von Diesel- und Ottomotoren nochmals um mindestens 30 Prozent reduzieren lässt. Aus umweltglobaler Sicht ist dies auch zwingend notwendig, wenn man davon ausgeht, dass der Weltmarkt im Jahr 2020 ca. 103 Mio. Pkw und leichte Nfz abnimmt. Das sind ca. 30 Mio. Fahrzeuge mehr, als heute pro Jahr verkauft werden. Nur etwa drei Mio. davon sind laut Prog-nose rein elektrisch oder per Hybrid an- getrieben. Das heißt, der Großteil einer beabsichtigten CO2-Reduktion lässt sich nur mit konventionellen Verbrennungsmotoren erreichen. Die EU-Gesetzgebung hat dafür ambitionierte Ziele vorgegeben: Senkung der Emissionen bis 2015 um elf Prozent auf 130g/km, Senkung der CO2- Emission bis 2020 auf 95g/km und bis 2025 auf 70g/km. Um es bildlicher zu machen: 70g/km CO2 entsprechen ca. drei Liter Benzin oder 2,6 Liter Diesel pro 100 Kilometer. Das ist gut die Hälfte des heutigen Durchschnittsverbrauchs.

Möglichkeiten des Downsizing

Die Möglichkeiten der Zielerreichung sind vielfältig und beinhalten neben Öko-Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen mit einer besseren Ökobilanz auch Leichtlaufreifen, Leichtbau am Fahrzeug und weniger Luftwiderstand auch moderne Motorenkonstruktionen. Die Maxime im Bereich Mo- torenbau steht weiter unter dem Begriff Downsizing. Vor wenigen Jahren kaum denkbar, lassen sich Mittelklässler und Vans schon heute mit aufgeladenen 1,4-Liter-Motörchen durchaus flott und für normale Ansprüche ausreichend im Alltag bewegen. Laut Bosch sind die Möglichkeiten beim Downsizing aber längst nicht ausgeschöpft, und künftig möchte das Unternehmen noch stärker als bisher selbst daran partizipieren. Mit Gründung des Joint Ventures Bosch Mahle Turbo Systems will man Ende 2011 selbst in die Produktion von Turboladersystemen einsteigen. Für 2015 erwartet man ca. eine Mio. Lader aus dieser Kooperation.

Die größten Verbrauchseinsparungen resultieren künftig aus noch höherer Auf-ladung, weniger Hubraum oder weniger Zylindern, Direkteinspritzung und innermotorisch besserem Wirkungsgrad. Für den Benziner gilt als unterste Grenze ein Hubraum von 400 Kubikzentimeter pro Zylinder. Allerdings können beim Ottomotor die Partikelemissionen steigen.

Potenziale des Dieselmotors

Veränderte Ventilgeometrie, ein zusätzliches Saugrohreinspritzventil oder einen Partikelfilter wirken dem entgegen. Es zeigt sich: Vieles ist möglich, aber Komplexität und Kostenaufwand nehmen weiter zu.

Auch für den Dieselmotor sieht Bosch weitere Optimierungspotenziale. Unter anderem höheren Ladedruck in Verbindung mit noch höheren Einspritzdrücken. „Der höhere Einspritzdruck bringt einen Mehrfachnutzen. Bei gleicher Einspritzdauer kann mehr Kraftstoff eingespritzt und so eine bessere Leistungsausbeute erzielt werden – die spezifische Leistung des Motors steigt. Alternativ haben die Motorenentwickler die Möglichkeit, bei gleicher Motorleistung den Durchmesser der Düsenlöcher in den Injektoren zu verringern. In Kombination mit mehrfacher Vor- und Nacheinspritzung ver-bessert das die Gemischbildung im Brennraum, spart Sprit und führt zu sauberen Abgasen, insbesondere weniger Stickoxid-emissionen“, so Dr. Rolf Leonhard, Be- reichsvorstand Entwicklung Diesel Sys-tems. Noch 2011 bringt Bosch ein CR- System mit 2.200 bar Einspritzdruck in Serie, 2.500 bar sind in der Entwicklung. Weitere Einsparpotenziale versprechen eine Verbrennungsregelung via Brennraumdrucksensoren, variable Ventilsteuerung beim Dieselmotor, Getriebeoptimierungen, elektrifizierte Nebenaggregate, Energierückgewinnung aus der Abgas-wärme sowie reduzierte Kühlleistung.

Elektrifizierung/Elektromobilität

Unabhängig davon will Bosch die Elektromobilität maßgeblich mitgestalten und fertigt bereits Teile und Systeme für elektrifizierte Antriebe sowie am Standort Hildesheim Elektromotoren für Hybridfahrzeuge. Diese kommen ab 2012 zu- nächst bei Mercedes-Benz und Smart zum Einsatz. Darüber hinaus werden in einem Joint Venture mit Samsung (SB LiMotive) seit 2010 in Korea Lithium-Ionen-Zellen für Traktionsbatterien gefertigt. Aktuell konzentriert sich Bosch auf zwei Hybridkonzepte (Parallel-Vollhybrid; zwischen Motor und Getriebe) und Axle-Split-Hy-brid (E-Motor für Hinterachse, Verbrennungsmotor für Vorderachse), die auf kurzen Strecken rein elektrisches Fahren ermöglichen und zugleich einen (klei-neren) Verbrennungsmotor als Booster unterstützen können. Allein durch den verkleinerten Motor in Kombination mit dem E-Antrieb sind laut Bosch 30 Prozent weniger Verbrauch machbar. Den Parallel-Vollhybrid liefert das Unternehmen schon seit 2010 für Porsche Cayenne und VW Touareg. 2011 geht der Peugeot 3008 mit Axle-Split-Hybrid in Verbindung mit einem Dieselmotor in Serie. Bis 2013 sind 20 Projekte bei zwölf Automobilherstellern in Planung, bei denen man mit E-Motor, Leistungselektronik und/oder Batterietechnik (zum Beispiel BMW i3, BMW 1er ActiveE, Fiat 500 EV) in Serie gehen will.

Dr. Rolf Burlander, Vorsitzender Be- reichsvorstand Gasoline Systems: „Wir rechnen damit, dass man bis 2015 mit einer 35-kWh-Batterie von SB LiMotive eine Reichweite von 200 Kilometern erzielen kann. Zudem ist eine Batterielebensdauer von zwölf Jahren ein Muss.“ Am Ende entscheidet aber der Preis über den Erfolg von E-Antrieben. 350 Euro pro Kilowattstunde visiert SB LiMotive bis 2015 an, 250 Euro für 2020. „Mit Preisen zwischen 6.000 und 12.000 Euro wird die Batterie auch in Zukunft den Löwenanteil an den Kosten eines Elektro- oder Hybridfahrzeugs aus-machen. Der Schritt zum E-Auto ist technisch betrachtet nicht groß. Wir rechnen aber damit, dass ein E-Fahrzeug im Jahr 2020 rund 45 Prozent teurer sein wird als ein vergleichbares Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Ein wesentlicher Aspekt bei E-Antrieben bleibt also, die Kosten zu senken. Ab 2025 werden elektrifizierte Antriebe so stark zunehmen, dass wir mit einem merklichen Rückgang der Fahrzeuge rechnen, die ausschließlich mit Verbrenner angetrieben werden“, so Dr. Rolf Burlander.

Zu viele Verkehrstote und -verletzte

Unabhängig vom Antriebskonzept: Vom idealen Straßenverkehr ohne Staus und ohne Unfälle sind wir nach wie vor weit entfernt. Im Gegenteil, wie in Boxberg zu hören war: Laut UNO sterben derzeit weltweit 1,3 Mio. Menschen pro Jahr im Straßenverkehr. In zehn Jahren könnte die Zahl bei 1,9 Mio. liegen. Grund: Rasant steigender Straßenverkehr in Schwellenländern. Deshalb will man die Weichen stellen, um gegenzusteuern: Helmpflicht für Zweiradfahrer, mehr Autos mit ESP und Motorräder mit ABS sind einige An- knüpfungspunkte. Statistik: Würden alle genannten Maßnahmen konsequent um- gesetzt, hätten wir in diesem Jahrzehnt fünf Mio. weniger Verkehrstote und 50 Mio. weniger Schwerverletzte weltweit im Straßenverkehr. Notbremsassistenten in allen Autos in Deutschland würden ca. 500.000 Bagatellunfälle und ca. 330 Mio. Euro Reparaturkosten sparen. Ein Spurhalteassistent kann laut GIDAS-Datenbank jeden vierten relevanten Unfall in Deutschland gänzlich verhindern und ca. 250 Leben retten. Die Effekte moderner Sicherheitstechnik sind berechenbar und mit mehr Umfeldsensorik sowie Vernetzung der Systeme weiter zu verbessern. In den kommenden Jahren will Bosch dieses Geschäft weiter vorantreiben und auch neue Generationen Radar- und Video-technik auf den Markt bringen. So wird Ende 2012 ein so genannter Mid Range Radarsensor mit ca. 160 Meter Reichweite auf den Markt kommen, der kostengüns-tiger ist als heutige Systeme, damit auch für Fahrzeuge der Kompakt- und Mittelklasse interessant wird und ganz erheb- lich zu einer größeren Verbreitung von Fahrerassistenzsystemen beitragen soll.

Thomas Seidenstücker

▶ Verbrauch/Emission: Laut Bosch sind die Möglichkeiten beim Downsizing längst nicht ausgeschöpft.

▶ Dieseleinspritzung: höherer Druck, Vor- und Nacheinspritzung reduziert Emissionen, insbesondere NOx.

▶ Verkehrstote weltweit: Innerhalb 10 Jahre plus 600.000 durch rasantes Wachstum in den Schwellenländern?

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