Gleichlaufgelenke
Obwohl ihre Diagnose und Erneuerung zum Tagesgeschäft jeder Werkstatt und jedes Autohauses zählt, ist das Fachwissen um Gleichlaufgelenke für Frontantriebe nicht bei jedem Werkstattprofi ausgeprägt. asp hat sich bei SKF informiert.
Alfred Hans Rzeppa, ein beim US-amerikanischen Autobauer Ford angestellter Ingenieur, erdachte im Jahr 1928 das Gleichlaufgelenk. Es heißt so, weil es auch bei größeren Beugewinkeln die Drehbewegung von einer auf die andere Welle gleichmäßig überträgt. Alternativ wird das Gelenk nach seinem Erfinder auch Rzeppa-Gelenk oder, eben weil es mit identischer Winkelgeschwindigkeit beider Wellen arbeitet, homokinetisches Gelenk genannt. Ist es zudem verschiebbar, was dem Ausgleich der Längenänderung beim Einfedern dient, spricht man vom Gleichlaufverschiebe- oder Tripoidgelenk.
Klassischer Maschinenbau
Vereinfacht ausgedrückt, handelt es sich bei einem Gleichlaufgelenk um ein Kugellager mit sechs in einem Käfig laufenden Kugeln, bei dem Innen- und Außenring zueinander um bis zu 50 Grad auslenkbar sind. Eigentlich unzerstörbarer klassischer Maschinenbau, der jedoch mit dem Faltenbalg eine Schwachstelle aufweist.
Ist der Faltenbalg undicht, was durch Verschleiß des Kunststoffteils (Verlust der Elastizität durch Dauerbeanspruchung), Fremdkörper oder Montagefehler verursacht werden kann, liegen die „Innereien“ des Gelenks offen und es entstehen zwei entgegengerichtete Stoffströme: Schmiermittel (Fett) aus dem Gelenk heraus sowie Fremdkörper, Schmutz und Feuchtigkeit, ggf. sogar Taumittel, in das Ge-lenk hinein, was auf Dauer kein Bauteil aus-hält. Deshalb sollten an Fahrzeugen mit Frontantrieb regelmäßig die Gelenkwellen und hier besonders die Faltenbälge überprüft werden: die Räder drehen und dabei die Faltenbälge auf existierende und sich ankündigende Risse untersuchen. Ist ein Faltenbalg beschädigt und das Fett bereits ausgetreten, muss das Gelenk erneuert und der Faltenbalg ersetzt werden. Er-fahrungsgemäß ist bei einseitigem Faltenbalgschaden meist auch der zweite Faltenbalg nicht weit von einem Defekt entfernt. In dieser Situation empfiehlt sich die Prüfung des ausgebauten Gelenks, was Mitarbeiter aus dem Bereich Kfz-Teile Ersatzgeschäft des Gelenkherstellers SKF, Schweinfurt, wie folgt beschreiben: „Beim ausgebauten Gleichlaufgelenk wird zum Prüfen zunächst mit einem Stift oder Werkzeug ohne scharfe, harte Kanten der innere Laufring so weit wie möglich zur Seite gekippt. Die erste Kugel liegt dann frei und kann mit Hilfe eines kleinen Schraubenziehers aus dem Käfigfenster gedrückt werden. Danach den Laufring in die entgegengesetzte Richtung drücken und die nächste Kugel ent-nehmen. Den Vor-gang so lang fortsetzen, bis alle Kugeln entfernt sind. Jetzt können die Oberflächen aller Kugeln auf Anzeichen von Beschädigungen oder Verschleiß sowie die inneren und äußeren Laufringflächen auf Spurrillen überprüft werden: Jede Kugel muss perfekt in ihr Käfigfenster passen, denn zu großes Spiel führt nicht nur zu Klick- und Knackgeräuschen, sondern auch zu vorzeitigem Verschleiß. Da Gleichlaufgelenke passgenaue Bauteile mit sehr engen Toleranzen sind, sollten die Kugeln auch wieder in der Reihenfolge des Aus-baus auf der gleichen Position eingebaut werden: Jede Kugel und jede Laufspur hat ihr ganz eigenes, unverwechselbares Ab-nutzungsmuster, so dass sich ein Tauschen der Kugeln auf das Gelenkspiel auswirkt und zu neuen Verschleißproblemen oder Geräuschen führen kann.“
Einfache, eindeutige Diagnose
Erfahrungen mit Diagnose und Reparatur von Antriebswellen hat man bei SKF in einer Informationsbroschüre aus der „Pole-Position“-Reihe zusammengefasst. Demnach lassen sich viele Schäden einfach und eindeutig diagnostizieren:
Wiederholte Klick- und Knackgeräusche im Bereich der Räder bei starkem Einlenken nach einer Seite deuten auf Verschleiß des Gleichlaufgelenks auf der gegenüberliegenden Seite hin. Zur genaueren Diagnose des Problems em-pfiehlt man bei SKF das Fahren enger Rechts- und Linkskreise.
Dumpfe metallische Schlaggeräusche beim Beschleunigen oder Gaswegnehmen können ihre Ursache in einem verschlissenen getriebeseitigen Gleichlaufgelenk oder in einem Problem am Differenzial haben.
Kontinuierliche Brumm- oder Summgeräusche entstehen durch Schmiermittelmangel am inneren oder äußeren Gleichlaufgelenk. Der Schmiermittelmangel wiederum liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem undichten Faltenbalg begründet.
Vibrationen und Antriebswellengeräusche deuten auf ein Problem am getriebeseitigen Gleichlaufgelenk hin.
Treten die Vibrationen beim Beschleunigen oder bei höheren Geschwindigkeiten auf, kommt Spiel des inneren oder äußeren Gleichlaufgelenks oder eine verbogene Antriebswelle als Ursache der Unwucht in Frage.
Diese fünf Tipps der Spezialisten von SKF stammen ebenfalls aus der Informationsbroschüre „Pole Position“:
Ist der ABS-Impulsring, der oft am Gleichlaufgelenk angebracht ist, be-schädigt oder zeigen seine Polzähne Korrosion, muss er erneuert werden.
Wird ein Innengelenk oder eine gesamte Welle erneuert, sollten aus Sicherheits- und Wirtschaftlichkeitsgründen stets beide Wellen einschließlich Innen- und Außengelenk getauscht werden.
Stets den richtigen Faltenbalg wählen, was Größe, Öffnungsdurchmesser und Material betrifft: Neopren ist flexibler, Thermoplast widerstandsfähiger.
0 Vor der Montage eines neuen Faltenbalgs das Gleichlauf-gelenk von der Welle entfernen, sämtliche Teile reinigen und prüfen sowie mit Spezialschmierfett behandeln. Empfehlung von SKF: Im verwendeten Schmier-fett sollte Molybdändisulfit (MoS2) enthalten sein.
Gegen Passungsrost auf der Verzahnung hilft eine spezielle Paste, die ebenfalls von SKF vertrieben wird.
Wird ein neues, meist vorgefettetes Gleichlaufgelenk eingebaut, sollte die Schutzabdeckung erst unmittelbar vor dem Einbau entfernt werden. Schmutz wird so effektiv ferngehalten.
Voraussetzung: Spezialwerkzeug
Wie bei allen diffizilen Arbeiten ist auch bei Demontage und Montage von Gleichlaufgelenken fachgerechtes Werkzeug eine Voraussetzung. Hier geht es u. a. um das korrekte Anzugsdrehmoment, denn bei zu hohem Moment kann das Radlager be-schädigt werden, bei zu geringem Moment sich die Achsmutter lösen. Ebenso wichtig ist spezielles Werkzeug zur Befestigung der Faltenbalg-Spannringe. Peter Diehl
Leserservice
www.vsm.skf.com
SKF, Spezialist für Gleichlaufgelenke sowie Radlager, Federbeinlager, Kühlmittelpumpen und Riemenantriebe, unterstützt Werkstätten und Autohäuser u. a. mit Produkt- und Serviceinformationen. Daneben gibt es aus der Reihe „Pole Position“ Broschüren zu den genannten Themengebieten, die bereits viel Informationen zu Aufbau, Funktion und möglichen Ausfallursachen enthalten. Weiterbildungen sind auf Anfrage über den Ersatzteilgroßhandel möglich, wobei die bundesweit sieben SKF-Außendienstmitarbeiter als Trainer fungieren.
Kontakt:
kfz-service@skf.com
www.vsm.skf.com
- Ausgabe 12/2009 Seite 10 (320.2 KB, PDF)