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Illegale Absprachen: Kartellverdacht deutscher Autobauer vorläufig bestätigt

05.04.2019 13:34 Uhr
Illegale Absprachen: Kartellverdacht deutscher Autobauer vorläufig bestätigt
BMW, Daimler, VW haben illegale Absprachen getroffen.
© Foto: picture alliance/Ulrich Baumgarten

Tricksereien bei Abgastests und nun auch noch konkrete Kartellanschuldigungen aus Brüssel: Für die deutschen Autobauer kommt es knüppeldick. Und es könnte teuer werden.

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Den Autokonzernen BMW, Daimler und VW steht voraussichtlich bald eine Milliardenstrafe der EU-Wettbewerbshüter ins Haus. Die Unternehmen hätten jahrelang illegale Absprachen zu Technologien der Abgasreinigung getroffen, teilte die EU-Kommission auf Basis eines vorläufigen Ermittlungsergebnisses am Freitag in Brüssel mit. Die Firmen können nun zu den Vorwürfen gegenüber der Behörde noch Stellung nehmen. Ihre Verteidigungsstrategien gestalten sich schon jetzt sehr unterschiedlich.

Die EU-Kommission hatte im Oktober 2017 Voruntersuchungen bei den Autobauern begonnen und war auch bei den Herstellern vorstellig geworden. Eine formelle Untersuchung leitete sie 2018 ein. Im Einzelnen sollen sich nach den Erkenntnissen der EU-Kommission nun die Autobauer bei der Einführung von SCR-Katalysatoren für Dieselmotoren und von Feinstaub-Partikelfiltern für Benzinmotoren (OPF) unerlaubterweise abgesprochen haben. Diese Absprachen seien bei Treffen der Automobilhersteller in den sogenannten 5er-Kreisen, zu dem noch Audi und Porsche gehörten, getroffen worden.

"Unternehmen können auf viele Arten zusammenarbeiten, um die Qualität ihrer Produkte zu verbessern", sagte EU-Kommissarin Margrethe Vestager. "Die EU-Wettbewerbsvorschriften verbieten ihnen jedoch, Absprachen zu treffen, die genau das Gegenteil bewirken sollen, nämlich ihre Produkte nicht zu verbessern und bei der Qualität nicht miteinander in Wettbewerb zu treten. Wir haben Anlass zur Sorge, dass in diesem Fall genau dies geschehen ist."

Verdacht des Verstoßes gegen europäisches Kartellrecht

Die Unternehmen hätten den Innovationswettbewerb in Europa bei den beiden Abgasreinigungssystemen eingeschränkt und den Verbrauchern somit die Möglichkeit verwehrt, umweltfreundlichere Fahrzeuge zu kaufen - obwohl sie über die entsprechende Technologie verfügten, teilten die Wettbewerbshüter weiter mit. Sollte sich der Verdacht endgültig bestätigen, wäre es ein Verstoß gegen europäisches Kartellrecht - auch wenn es sich nicht um Preisabsprachen handele. 

Konkret werfen die Wettbewerbshüter den Konzernen vor, bei den SCR-Katalysatoren zwischen 2006 und 2014 ihr Strategien koordiniert zu haben, um die Wirksamkeit der Abgasreinigung zu beschränken. Bei den OPF-Partikelfiltern sprachen sie sich demnach zwischen 2009 und 2014 ab, um die Einführung der Technologie hinauszuzögern.

Mögliche Verstöße gegen Umweltvorschriften seien nicht Teil des Verfahrens, hieß es von der EU-Kommission weiter. Die Ermittlungen seien zudem unabhängig von laufenden Untersuchungen etwa von Staatsanwaltschaften zur Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen der Autohersteller. Die endgültige Entscheidung der Wettbewerbshüter - vor allem über die Höhe der möglichen Strafen - könnte in den kommenden Monaten fallen.

Kooperationen durchaus üblich

VW wollte die Entscheidung nun näher analysieren. Nach Konzern-Einschätzung erkennt die Kommission jedoch "grundsätzlich an, dass Kooperationen zwischen Herstellern zu technischen Fragen in der Automobilindustrie weltweit üblich sind". Das Unternehmen erklärte weiter, dass es sich bei den Vorwürfen um eine Zusammenarbeit in technischen Fragen gehandelt habe - und kein Zusammenhang mit dem Abgas-Skandal mit Millionen manipulierter Dieselmotoren bestehe. 

Der Hintergrund: VW hatte im September 2015 zugegeben, in den USA die Abgasreinigung von Autos mit Dieselmotor manipuliert und auf diese Weise Kunden und Behörden betrogen zu haben. Weltweit geht es in der Affäre um rund elf Millionen Autos, in Deutschland waren es über 2,2 Millionen Wagen.

Inzwischen nahm Volkswagen über 29 Milliarden Euro in die Hand, um "Dieselgate" zu bewältigen. Und es könnte neues Ungemach drohen: gegen VW sind gut 50.000 Klagen verärgerter Diesel-Kunden anhängig. Rund 1.700 Anleger und Investoren wollen rund neun Milliarden Euro Schadenersatz.

Daimler und VW rechnen nicht mit Bußgeldzahlung

Daimler rechnet trotz der Vorwürfe nicht damit, ein Bußgeld zahlen zu müssen. "Daimler hat frühzeitig und umfassend mit der Europäischen Kommission als Kronzeuge kooperiert und erwartet in dieser Sache deshalb kein Bußgeld", teilte der Autobauer mit. Sowohl Daimler als auch Volkswagen hatten nach Bekanntwerden der Vorwürfe im vergangenen Jahr den Antrag auf Kronzeugenregelung gestellt. Der Kronzeuge in Kartellverfahren kann auf den größten Straferlass oder gar Straffreiheit hoffen. Im äußersten Fall können aber bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes fällig werden.

BMW hingegen weist die Vorwürfe zurück. Es habe keine Preis- oder Gebietsabsprachen zu Lasten von Kunden oder Lieferanten gegeben, erklärte das Unternehmen. Der Autohersteller kritisierte stattdessen das Vorgehen der EU-Kommission: "Die BMW Group sieht in diesem Verfahren den Versuch, die zulässige Abstimmung von Industriepositionen zu regulatorischen Rahmenbedingungen mit unerlaubten Kartellabsprachen gleichzusetzen", hieß es in der Stellungnahme.

Laut BMW ging es bei den Gesprächen mit Daimler und VW im Kern um die Verbesserung von Technologien zur Abgasnachbehandlung. "Anders als Kartellabsprachen zielten diese Gespräche, die industrieweit bekannt waren und keine 'Geheimabsprachen' zum Gegenstand hatten, nicht auf die Schädigung von Kunden oder Lieferanten ab."

Kritik von Verbraucherschützern

Harsche Kritik an den Autobauern äußerten hingegen Verbraucherschützer. "Führende Hersteller der deutschen Autoindustrie haben Kunden die bestmögliche Technologie vorenthalten", sagte der Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. "Kunden mussten weniger saubere Fahrzeuge kaufen als technisch möglich und werden heute auch noch mit drohenden Fahrverboten dafür bestraft", sagte er weiter. "Die Kartellabsprachen schaden Verbrauchern, der Umwelt und letztendlich auch den Herstellern. Solch ein Verhalten darf keine Schule machen und muss mit allen zur Verfügungen stehenden Mitteln sanktioniert werden." (dpa)

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