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Interview: "Jeder hat eine Chance"

17.11.2016 11:00 Uhr
Bosch Uwe Thomas
Uwe Thomas, Vorstandsvorsitzender des Bosch-Geschäftsbereichs Automotive Aftermarket, im asp-Interview über die Herausforderungen freie Werkstätten.
© Foto: Valeska Gehrke

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asp: Jeder spricht von Vernetzung und Digitalisierung. Wie kommen Veränderungen konkret bei Technikern und Serviceassistenten im Werkstattalltag an?

U. Thomas: Die Werkstatt ist vielfach mit Herausforderungen konfrontiert. Die Fahrzeuge werden immer komplexer und die Aufgaben anspruchsvoller. Auch die Kunden sind und werden anspruchsvoller, da sie aus dem Nicht-Automotive-Bereich bestimmte Servicemodelle, Lieferzeiten und Transparenz gewohnt sind. Gleichzeitig stehen Werkstätten vor der Frage, wie sie die Vielfalt, die derzeit in Werkzeugen, Tools, EDV-Systemen besteht, bewältigen, um Autos gut und effizient warten zu können. Denn wer mit drei oder vier EDV-Systemen agieren muss, ist nicht effizient. Hier brauchen Werkstätten starke Netzwerke und Partnerschaften. Netzwerke im Systemverbund oder als Werkstattkonzept und Partner im Sinne von Lieferanten. Damit meine ich nicht nur den klassischen Teilelieferanten, sondern das Bereitstellen von Bausteinen und Lösungsbeiträgen für die gesamte Wertschöpfungskette der Werkstatt. Und genau hier setzen wir mit unserer Parts-, Bytes- und Service-Strategie an. Wir liefern Teile im Rahmen unseres Portfolios und wir liefern Werkstatt-Equipment, Ausrüstung sowie technische Informationen - das klammern wir unter Bytes. Und zuletzt lernen wir immer mehr, welche Serviceerwartungen der Markt hat und spiegeln diese in unseren Konzepten für Werkstätten wider, um ihnen zu helfen, diesen vielen Herausforderungen zu begegnen.

asp: Sie haben einige Herausforderungen angesprochen, hat eine freie Werkstatt hier noch die Chance mitzuhalten?

U. Thomas: Jeder Marktteilnehmer hat die Chance mitzuhalten. Als Unternehmer muss sich der einzelne Werkstattinhaber jedoch überlegen, wo seine Profilierungschance liegt. Häufig sind gerade Ein- bis Zwei-Mann-Betriebe hervorragende Mechaniker und bewältigen unglaubliche Arbeiten an den Fahrzeugen. Aber sie leben vom Vertrauen der lokalen Kundschaft und ihrem Fachwissen. Stellt man sie in den Wind einer Großstadt mit vielen Wettbewerbern, erkennt man, wie fit so ein Betrieb für die Zukunft ist bzw. sein muss. Daher ist es umso wichtiger, die Betriebe umfassend zu unterstützen und ihnen aber nicht nur Teile zu liefern. Denn - wie gesagt - eine Chance hat jeder, aber man muss sie ergreifen und die Zeichen der Zeit erkennen.

asp: Das sind hohe Investitionen, die ein Betrieb bewerkstelligen muss, um zukunftsfähig zu bleiben und beispielsweise Fahrerassistenzsysteme kalibrieren zu können ...

U. Thomas: Wenn ein einzelner Betrieb für einen komplexen Fahrzeugpark alle Arbeiten ausführen möchte und investieren will, dann muss er wirklich sehr gut sein. Als Teil eines Netzwerkes, eines Werkstatt-Konzeptes kann er auch so etwas wie Tool-Sharing nutzen. Dabei wird das Fahrzeug von Werkstatt A zu Werkstatt B gefahren oder das Tool kommt zum Fahrzeug. Dabei geht es auch darum, dass die Tools ausgelastet werden. Nichts ist schlimmer als eine Werkstatt voll mit Equipment, das nur einmal im Monat für eine halbe Stunde genutzt wird. Das ist nicht wirtschaftlich. Hier helfen wir Werkstätten, indem wir Themen wie Tool-Sharing forcieren und auch die Vernetzung unter den Werkstätten vorantreiben. Wir möchten eine Rolle als Impulsgeber spielen.

asp: Neue Konzepte wie Tool-Sharing oder veränderte Reparaturprozesse durch Augmented-Reality-Anwendungen - wann kommen diese Themen wirklich in der Werkstatt um die Ecke an?

U. Thomas: Diese Frage impliziert, dass es noch etwas dauert und ich werde nicht müde uns allen immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass unsere handlichen Smartphones gerade mal vor zehn Jahren in unser Leben getreten sind und heute können wir nicht mehr ohne sie arbeiten oder gar leben. Das heißt: Es wird vieles viel schneller gehen. Nehmen wir das Beispiel Augmented Reality. Vor zwei Jahren haben wir auf der Automechanika zwei kleine Use-Cases vorgestellt, heute haben wir viele Anwendungsfälle parat. Wir haben beispielsweise mit Daimler eine App für Feuerwehrmitarbeiter entwickelt, damit diese an einem Unfallort schnell wissen, wo sie ein Fahrzeug aufschneiden können. Insbesondere bei elektrischen Fahrzeugen mit hohen Spannungen ist das entscheidend. In der Werkstatt sind Reparaturprozesse mit Hilfe virtuell eingeblendeter Zusatzinformationen etwa auf dem Tablet bei, heute noch vereinzelten, Werkstattketten unserer Kunden schon Realität. Die 3D-Brillen sind noch etwas unhandlich. Aber hier müssen wir nur zwei bis drei Jahre weiterdenken und dann werden das schöne, feine Brillengestelle sein, die sich auch preislich entsprechend entwickeln und finanzierbar sind. Dann wird das Thema nicht nur für große Werkstattketten relevant sein, sondern auch in der normalen Werkstatt ankommen.

asp: Müssen die Mitarbeiter speziell geschult sein für diese neue Art des Arbeitens mit Augmented Reality?

U. Thomas: Den Umgang mit 3D-Brillen lernt man intuitiv. Zwei, drei Mal üben, dann macht es plötzlich Spaß und irgendwann ist es ganz normal. Wie viele Millionen Menschen spielen aktuell Pokémon Go? An diesem Beispiel sieht man, wie schnell sich etwas verbreitet, wenn es intuitiv ist. Davon lernen wir im Automotive Sektor.

asp: Arbeitsabläufe müssen umgestellt und alte Gewohnheiten geändert werden ...

U. Thomas: ... Das ist das Stichwort, alte Gewohnheiten. Als Werkstattinhaber bin ich selber gefragt, ich muss meiner Mannschaft vorleben und zeigen, dass Veränderung der Rahmen des Spiels ist. Wer hier neugierig und interessiert ist, der wird ganz schnell wissen, wie das funktioniert. Die Konzepte müssen intuitiv sein. Wer Konzepte anbietet, die nicht entsprechend intuitiv sind, der wird damit scheitern.

asp: Herr Thomas, vielen Dank für Ihre Einschätzungen.

Interview: Valeska Gehrke

Kurzfassung

Augmented-Reality-Anwendungen oder Tool-Sharing - Uwe Thomas, Vorstandsvorsitzender Bosch Automotive Aftermarket, ist überzeugt, dass neue Konzepte und Arbeitsabläufe in zwei bis drei Jahren in der Werkstatt ankommen.

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