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Motorenöle: Die Vielfalt nimmt zu

22.11.2018 11:00 Uhr
Motorenöle: Die Vielfalt nimmt zu

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Der Trend zu noch dünnflüssigeren Ölen wird sich fortsetzen. In einigen Jahren werden 0W-16- oder sogar 0W-12-Öle auf dem Markt eine große Rolle spielen, nachdem 0W-20-Öle heute bereits bei zahlreichen Fabrikaten im First Fill zum Einsatz kommen.

asp: Was sind die technischen Trends bei den Herstellern im Bereich Motorenöl?

H. Kohrs: Die Themen, mit denen ich mich in der Schmierstoffentwicklung befasse, sind vor allem die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und die damit verbundene Emissionsminderung. Bereits seit 10 Jahren arbeiten wir mit unseren Kunden aus der Automobilindustrie daran und es bleibt eines der wichtigsten Ziele. Um das zu erreichen, haben die Hersteller unter dem Stichwort "Downsizing" technisch im Motor sehr viel verändert: Wir sehen Motoren, die mit weniger Hubraum dennoch sehr leistungsstark sind. Dies geht nur mit starker Aufladung durch Turbolader. Zudem werden Verbrauchsminderungen durch die Reduzierung des Reibwiderstandes im Motor erreicht. Dies ist über immer dünnere Öle möglich. Im Moment kommen sehr dünnflüssige 0W-20-Öle auf den Markt. VW setzt diese beispielsweise bereits im First Fill und im Aftermarket ein. Auch bei BMW und Mercedes ist das der Fall. In zwei bis drei Jahren werden wir wahrscheinlich in Europa sogar 0W-16- oder 0W-12-Öle sehen.

asp: Kann man sagen, dass die Motorenentwicklung die Ölentwicklung vorantreibt?

H. Kohrs: Die Kombination beider Bereiche ist entscheidend. Also fängt die Zusammenarbeit zwischen Automobilhersteller und Ölproduzenten viel früher an, sonst wären einige konstruktive Maßnahmen am Ende kontraproduktiv. Denn wenn ein dünneres Öl verwendet wird, muss die Schmierfähigkeit trotzdem jederzeit gegeben sein. Muss der Öldruck dann konstruktiv erhöht werden, benötigt dies unter Umständen so viel Energie, dass sich der Gewinn durch das dünne Öl wieder relativiert. Solche Effekte müssen in der Entwicklung schon berücksichtigt und die Motoren entsprechend ausgelegt werden.

asp: Dahinter steht der Druck zur CO2-Minderung durch die EU-Vorgaben?

H. Kohrs: Die EU-Vorgabe liegt bei 95 Gramm CO2-Ausstoß pro 100 Kilometer ab 2021. Dies entspricht, umgerechnet auf den Kraftstoffverbrauch, gerade einmal 4,1 Liter Benzin oder 3,6 Liter Dieselverbrauch pro 100 Kilometer im Flottendurchschnitt. Um das zu schaffen, müssen schon einige Klimmzüge gemacht werden.

asp: Die Motoren werden dadurch ja auch aufwändiger - extrem hohe Aufladung bei kleinem Hubraum. Werden sie auch anfälliger?

H. Kohrs: Der technologische Aufwand steigt. Turbolader haben wir bisher vor allem bei Dieselmotoren gesehen, weil damit die Leistung steigt und die Verbrennung sauberer wurde. Mittlerweile sind durch das Downsizing auch Benzinmotoren häufig mit einem Turbolader ausgestattet. Wir liegen da bei 70 Prozent. Auch in kleineren Fahrzeugen sind Turbomotoren mittlerweile gang und gäbe.

asp: Welche Konsequenz hat das für die Werkstatt, wenn sie das falsche Öl einfüllt?

H. Kohrs: Schlimmstenfalls geht der Turbolader schneller kaputt. Durch den enormen Ladedruck läuft das Bauteil am Maximum. Der Turbolader dreht 150.000 Umdrehungen pro Minute oder mehr und erreicht bei längerer Volllast Temperaturen von bis zu 1.000 °C. Spezifische Leistungen, die es früher nur im Rennsport gab, müssen jetzt auch normale Motoren aushalten. Wenn Sie aus einem 1-Liter-Motor weit über 100 PS herausholen wollen, kommt das zum Großteil vom Turbolader. Das Öl spielt dabei eine wichtige Rolle: Zum einen kühlt es den Turbolader. Zum anderen ist es für die Schmierung der Lager verantwortlich. Das geht nur mit einem sehr hochwertigen Öl. So kann z. B. ein 15W-40-Öl, das vor 15 oder 20 Jahren noch marktgängig war, das gar nicht leisten. Die Lager und die Schaufeln des Turboladers würden sehr schnell verkoken und einen Totalausfall nach sich ziehen.

asp: Das ist doch ein sehr gutes Verkaufsargument in der Werkstatt.

H. Kohrs: Das ist sogar ein sehr gutes Verkaufsargument. Denn man kann sich gut vorstellen, wie viel Geld ein Austausch des Turboladers kostet. Nicht nur das Ersatzteil ist teuer, sondern auch die aufwändige Reparatur. Das sollte man nicht durch ein billiges Öl riskieren. Auf Herstellerseite ist deshalb vor der Freigabe eines Öls in der Regel ein spezieller Turboladertest vorgeschrieben. Ein Motor wird vom Fließband genommen und über einen Zyklus von 20.000 oder 30.000 Kilometern auf dem Prüfstand mit unterschiedlichen Belastungen gefahren. Nur die besten Öle sind in der Lage, diese Freigaben zu erhalten. Unsere Shell Helix Ultra Öle aus hochreinem Grundöl, hergestellt aus Erdgas, und modernen Additiven erreichen da sehr gute Ergebnisse.

asp: Wie kritisch ist die Temperatur des Öls im Motor?

H. Kohrs: Für den Automobilhersteller ist die Option durchaus interessant, die maximal zulässige Öltemperatur im Motor zu erhöhen. Wenn das Öl nur um fünf Grad heißer laufen kann, können die Kühler etwas kleiner gebaut werden. Damit sinkt der aerodynamische Widerstand und das Auto verbraucht weniger Kraftstoff. Aber jede Temperaturerhöhung ist eine enorme Herausforderung. Es gilt die Faustformel: 10 Grad Temperaturerhöhung halbiert die Lebensdauer eines Öls. Also auch deshalb sind nur sehr hochwertige Öle in der Lage, den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.

asp: Man kann also sagen, dass ein dünnes Öl den Carbon-Footprint reduzieren kann?

H. Kohrs: Ja, das ist Fakt, und das lässt sich auch technisch nachweisen, da weniger Kraftstoff verbraucht wird. Das gilt aber nur für die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs, wenn auch bei den Ölwechseln das gleiche Öl verwendet wird. Ein typischer Autofahrer kann dadurch ca. 70 Kilogramm CO2 pro Jahr sparen.

asp: Sicher kommt nicht immer das Öl in den Motor, das herstellerseitig drin war?

H. Kohrs: Das kommt leider vor. Teils liegt es daran, dass bestimmte Öle nicht in allen Märkten gleich verfügbar waren und die Hersteller daher Alternativen benannt haben, die den Motor nicht schädigen, aber eben auch nicht die Kraftstoffeffizienz erreichen. Bei den neueren Motorbaureihen wird das nicht mehr möglich sein. Die Volkswagen Gruppe z. B. hat die Wartungsanweisungen dahingehend geändert, dass auch im Aftermarket zwingend die 0W-20-Öle verwendet werden müssen. Das macht Sinn, da die Motoren ältere Öle gar nicht vertragen. Dahinter stehen beispielsweise hohe Anforderungen an die Kolbensauberkeit im Motor. Teilweise wird auch das Phänomen der unkontrollierten Fehlzündung (LSPI) über ganz bestimmte Formulierungen des Motorenöls verhindert. Wenn das falsche Öl nachgefüllt wird, kann dies den Motor sogar schädigen. Diese qualitativ hochwertigen Öle bieten dem Kunden neben einer Kraftstoffersparnis auch eine Reduzierung ihrer Betriebskosten.

asp: Wird es künftig noch mehr unterschiedliche Öle geben?

H. Kohrs: Das ist zu erwarten. Durch die vielfältigen Motorentechnologien werden sich die Spezifikationen noch weiter auffächern. Bis vor Kurzem haben z. B. BMW und Mercedes viele Öl-Spezifikationen zusammen entwickelt. Ein für BMW geeignetes Öl konnte daher auch problemlos eine Freigabe für Mercedes erhalten. Das ist jetzt anders. Neue Motoren benötigen neue, sehr spezifische Öle. Daher kommen viele neue Produkte auf den Markt, die unterschiedliche Freigaben besitzen. Heute haben Automobilhersteller fünf bis neun, oder teilweise sogar noch mehr, eigene Spezifikationen.

asp: Kann man bei Motorschäden eigentlich feststellen, ob es am falschen Öl lag?

H. Kohrs: Ja, man kann feststellen, welches Öl eingefüllt wurde. Chemisch-physikalische Analysemethoden liefern schnell einen "Fingerabdruck" des Öls. Einige Hersteller färben das Öl, oder sie geben Markersubstanzen hinzu, die sich sehr leicht nachweisen lassen.

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