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Interview: Die Schäden nehmen zu

04.09.2018 11:00 Uhr
Interview: Die Schäden nehmen zu

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asp: Unlängst haben Sie verkündet, dass der ZKF eine Mitgliedschaft im ZDK anstrebt. Was sind die Gründe für diese strategische Entscheidung?

P. Börner: Wir sehen diesen Schritt vor dem Hintergrund der vielen technologischen Veränderungen im Automobilbereich, aber auch der gesellschaftlichen Veränderungen. Der private Autobesitz wird tendenziell zugunsten von Flottenfahrzeugen zurückgehen, damit verändern sich auch Marktstrukturen. Wenn wir hier gemeinsam mit dem ZDK arbeiten, können wir in vielen Bereichen von Synergien profitieren, beispielsweise im Ausbildungsbereich oder in der politischen Lobbyarbeit. Wir führen verschiedene Aktionen bereits gemeinsam zielgerichtet durch. Der ZKF steht für das spezielle Know-how im Karosserie- und Lackbereich und ergänzt damit den ZDK. Wir sind im Übrigen ja auch Mitglied im Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und profitieren von der guten Arbeit des Spitzenverbandes in Berlin und Brüssel.

asp: Warum keine Fusion?

P. Börner: Das war und ist keine Option. Auch würden wir dies unseren Mitgliedern nicht antun wollen, weil es auch nicht nötig ist. Immerhin vertreten wir ein traditionsreiches Handwerk, welches schon deutlich länger besteht als motorgetriebene Fahrzeuge. Unsere älteste Innung ist über 850 Jahre alt. Wir sind und bleiben die Spezialisten für Blech, Lack und Fahrzeugbau. Dieses spezielle Know-how wollen wir auch im ZDK stärker als bisher einbringen. Das ist auch der Wunsch des ZDK. Eine der wichtigsten gemeinsamen Aufgaben ist das Thema Fachkräftemangel. Wenn wir heute die Situation bei unseren Betrieben anschauen, dann müssen wir aktiv werden. Es gibt insgesamt 4.756 in die Handwerksrolle eingetragene Karosserie- und Fahrzeugbaufachbetriebe, davon sind rund 3.500 beim ZKF organisiert. Die Betriebe tun sich schwer, genügend Azubis zu finden, damit die Mitarbeiterzahl zumindest konstant bleibt. Wir haben aktuell 4.035 Azubis - wir bilden also pro Betrieb nicht einmal einen Lehrling aus. Das ist langfristig nicht genug, denn mit diesen Zahlen schaffen wir uns selbst ab.

asp: Was kann der Verband tun?

P. Börner: Wir müssen die Berufs-Trends aus Sicht der Berufseinsteiger analysieren und unsere Karosserie- und Fahrzeugbau-Gene dadurch erhalten, indem wir erkennbarer werden. Zusammen mit dem ZDK haben wir bessere Möglichkeiten für die unterschiedlichen Autoberufe zu werben. Neben dem Automobilkaufmann gibt es den Mechatroniker, den Zweiradmechaniker, Karosseriebauer und Lackierer. Es macht doch nur Sinn, dem Berufseinsteiger an einer Stelle alle seine Optionen für "wasmitautos" zu zeigen und nicht auf drei unterschiedlichen Verbandsseiten.

asp: Sind auch Veränderungen der Berufsbilder geplant?

P. Börner: Zunächst nicht. Wenn man perspektivisch denkt, wäre es denkbar, eine Berufsfamilie zu bilden, also ein zentrales Berufsbild mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Eine Berufsneuordnung dauert aber mindestens fünf Jahre und für diesen Schritt müssen alle Beteiligten einer Meinung sein. Langfristig sehe ich diese Entwicklung aber schon, denn wie bereits geschildert, Gesellschaft und Technik werden sich verändern. Schauen Sie mal aus Sicht des Kunden auf die Branche: In einer Kfz-Werkstatt erwartet er Blech, Lack, Stoßdämpfer, Auspuff, Service, Motor und Getriebe.

asp: Welche Markttrends verändern das Geschäft Ihrer Mitglieder - Stichwort Digitalisierung, veränderte Eigentumsverhältnisse oder datenbasierte Services?

P. Börner: Das Verhältnis zum Automobil wird sich zumindest in Metropolen verändern. Die Bedeutung des eigenen Autos ist für die jüngere Generation nicht mehr so groß. Stattdessen wird es aus unserer Sicht eine vernetzte Mobilität mit verschiedenen Verkehrsträgern geben. Dafür wird die Bedeutung von Flottenbetreibern zunehmen. In neun Jahren werden laut Prognosen 80 Prozent der Neuzulassungen an nur 10 Firmen gehen. Auch heute liegt der Anteil von gewerblichen Zulassungen schon bei über 50 Prozent. Aber die gute Nachricht ist: Reparaturen an der Karosserie und Fahrgastzelle wird es auch weiterhin geben - unabhängig davon, wem das Auto gehört oder wie es angetrieben wird. Zudem werden aufgrund des Leichtbaus mit neuen Materialien und Fügeverfahren die Arbeiten an der Karosserie komplexer.

asp: Aber der Flottenbetreiber spricht nicht mit der einzelnen Werkstatt...

P. Börner: Der Flottenmanager spricht nicht mit der Werkstatt, sondern mit einer Systemzentrale. Er hat einen Rahmenvertrag mit einem Serviceanbieter, der über ein flächendeckendes Werkstattnetz verfügt. Im Servicebereich gibt es das ja schon. Systemzentralen wie G.A.S. zeigen bereits heute, wie das dann aussehen könnte. Das ist natürlich ein ungewohntes Konstrukt für Betriebe, die Wert auf ihre Eigenständigkeit legen, aber hier wird es einen Lernprozess geben müssen. Andererseits fehlt heute noch der Leidensdruck, denn wo man auch hinschaut: die Werkstätten sind heute noch voll. Wir stellen sogar fest, dass die Schadenlenker mittlerweile ein Problem haben, ihre Aufträge in Werkstätten unterzubringen. Die Auslastung in den Betrieben ist einfach zu hoch, weil es heute schon zu wenige Betriebe und Fachkräfte gibt.

asp: Was bedeutet das im Kräfteverhältnis mit dem Versicherer?

P. Börner: Der Markt funktioniert wie alle Märkte nach Angebot und Nachfrage. Es könnte sein, dass wir schon bald so etwas wie Privat- und Kassenpatienten bei der Unfallreparatur haben. Die Werkstatt wird dem Schadenlenker sagen: Zum vereinbarten Verrechnungssatz kommst du in vier Wochen zum Termin und zum ausgehängten Preis kannst du morgen kommen. Diese Marktkonstellation, also die heutige Angebots- und Nachfragesituation, müssten die Betriebe jetzt aktiv nutzen. Wer den besseren Preis zahlt kommt zuerst, wie wir es in der Schule gelernt haben, Angebot und Nachfrage regeln den Preis.

asp: Wie entwickeln sich die Schäden?

P. Börner: Was wir klar feststellen: Seit Einführung der Parksensoren haben wir deutlich mehr Auffahrschäden als ohne. Das kommt unserer Branche entgegen. Laut einer aktuellen Studie des Kraftfahrzeugtechnischen Instituts (KTI) werden viele Hindernisse gar nicht erkannt, beispielsweise sehr niedrige Hindernisse oder Pfosten, die mit einer Ecke in Richtung des Fahrzeugs weisen. Nach wie vor gibt es rund 11 Millionen Schäden im Jahr, die repariert werden müssen. Auch beim Notbremsassistenten sehen wir neben dem Schutz des Lebens einen unerwarteten Effekt für uns: Das Auto wird vor dem Aufprall autonom stark abgebremst, dass es zwar zum Zusammenstoß kommt, aber der Schaden noch reparierbar ist. Ohne Assistenzsystem war das bislang ein Totalschaden, jetzt wird repariert. Ein weiterer Effekt ist, dass diese Systeme als solche sehr teuer sind und aufwändig kalibriert und justiert werden müssen. Beides sind weitere Faktoren dafür, weshalb der Wareneinsatz und die verrechenbaren Stunden steigen.

asp: Wie stellt sich die wirtschaftliche Situation Ihrer Mitglieder dar?

P. Börner: Die Umsätze sind aus den genannten Gründen zuletzt gestiegen. Grundsätzlich geht es der Branche in der Umsatzentwicklung gut, denn die meisten Betriebe haben noch Kunden aus dem Privatkundenbereich und lokale Flottenkunden. Problematisch wird es, wenn die Fahrzeuge aus der Schadensteuerung überhand nehmen. Wenn der Anteil der Schadenlenkung in einem Betrieb bei 70 oder 80 Prozent liegt, wird es aufgrund der niedrigen Stundenverrechnungssätze schwierig. Leider fehlt speziell in kleineren Betrieben die Vor- und Nachkalkulation bei den Einzelaufträgen, die eine drohende Schieflage rechtzeitig sichtbar macht. Wir helfen diesen Betrieben, indem wir vor den Auswirkungen warnen und Seminare für richtiges Kalkulieren sowie für betriebswirtschaftliche Weiterbildung anbieten.

asp: Welche Bedeutung haben Fahrzeugdaten für den Bereich K&L?

P. Börner: Das wird ein wichtiger Faktor. Sensoren im Auto könnten beispielsweise Daten liefern, wie stark der Aufprall bei einem Unfall war. Die Positionierung der Branche bei datenbasierten Geschäftsmodellen ist übrigens ein wichtiger Punkt in der Zusammenarbeit mit dem ZDK: wir sagen beide, dass wir auf den Bildschirm im Auto wollen, um unseren Kunden direkt zu erreichen. Das Display im Fahrzeug wird so offen sein wie das Display eines Android-Smartphones.

asp: Wie präsentiert sich der ZDK auf der Automechanika?

P. Börner: Der ZKF gehört zu den Gründungsverbänden der Messe zusammen mit GVA, ASA, dem ZDK und der Messe Frankfurt. Wir schaffen es mit unserem Messeangebot immer wieder, auch viele junge Leute an die Stände zu ziehen, weil wir das Können der K&L-Branche live vor Ort zeigen. Der ZKF ist diesmal auf vier Messeständen in Frankfurt vertreten: In Halle 11 mit dem Gemeinschaftsstand, mit einem Oldtimerstand in der neuen Halle 12.1 und mit einem Ausbildungsstand in der Galleria A15, wo es um die Nachwuchswerbung geht. Zudem haben wir auf dem Freigelände Informationen für Caravan Fachbetriebe. Die Automechanika ist auf jeden Fall eines der Highlights des Jahres für den Verband.

Interview: Dietmar Winkler

Kurzfassung

Der ZKF gehört zu den Gründungsverbänden der Automechanika. Künftig wollen die Karrosseriebauer und Lackierer stärker mit dem ZDK zusammenarbeiten, vor allem auch bei den Themen Ausbildung und digitale Geschäftsmodelle.

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