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Thermografie: Der unter die Haut geht

15.02.2018 11:00 Uhr
Thermografie: Der unter die Haut geht

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Das klingt nach Schnäppchen. Der Porsche 911 aus der begehrten 993-Serie steht da wie geleckt, der rote Lack glänzt makellos. Das Fahrzeug wird als unfallfrei für 10.000 Euro unter Marktwert angeboten. Der Interessent ist zunächst begeistert, hat aber seine Nerven im Griff und traut dem Braten nicht. Deshalb lässt er einen Thermografie-Scan durchführen, und dieser offenbart knallhart die Realität.

Innerhalb weniger Minuten wird aus dem Schnäppchen überteuerter Schrott. Die Aufnahmen zeigen in Spektralfarben die Spuren einer umfassenden Reparatur am linken hinteren Seitenteil, fachgerecht ausgeführt, aber im Angebot verschwiegen. Auch der linke Schwellerbereich sowie die hinteren Felgen zeigen eindeutige Reparaturspuren. "Ein typischer 911er Schaden nach einem Heckdreher", weiß Michael Veith, Leiter Vertrieb und Marketing bei der Firma Carl Messtechnik, "der Anlass gab für weitere Untersuchungen." Es stellte sich heraus, dass sämtliche Fahrwerks- und Motoraufhängungen krumm und das Fahrzeug im Prinzip unfahrbar war.

Berührungslose Analyse

Der Fall zeigt nur eine Möglichkeit, wie man mit dem von Geschäftsführer Volker Carl schon vor über 20 Jahren für die Luftund Raumfahrtechnik entwickelten Verfahren verdeckte Schäden, unsachgemäße und unerlaubte Reparaturen oder sonstige Betrügereien sichtbar machen kann, die sich unter dem Lack verstecken. Im Gegensatz zu der von Energieberatern bekannten passiven Thermografie, die mittels Spezialkamera Wärmeverluste an Gebäuden aufzeigt, setzt Carl ein aktives Verfahren ein. Dazu wird mittels Infrarotblitz Wärme auf das Fahrzeug aufgebracht und die reflektierte Energie gemessen. Die Temperatur des Objekts wird dabei nur um wenige Grad Celsius erhöht, es besteht keine Gefahr für Lack, Kunststoff- oder Gummiteile. Das bildgebende, berührungs- und zerstörungsfreie Verfahren hat gegenüber einer Messung mit einem Lackschichtdickenmesser viele Vorteile. Es arbeitet vollflächig und bildet nicht nur einzelne Punkte ab, und das ohne den Lack zu berühren.

Im Ergebnis liefert das Verfahren nicht nur Bilder in Spektralfarben, sondern auch Messwerte und Wärmeverlaufskurven, die nicht manipulierbar und stets reproduzierbar sind. Das Verfahren funktioniert auf nahezu allen Oberflächen, sei es Stahl, Aluminium, Kunststoff oder Kohlefaser, allerdings nicht auf verchromten Flächen. Dafür stellen folierte Fahrzeuge kein Problem dar. Jedoch bietet das Verfahren keinen "Röntgenblick", man kann also nicht durch Objekte hindurchschauen. Es muss eine direkte Verbindung zwischen einzelnen Schichten bestehen, sobald Luft dazwischen ist, endet an der Stelle die Messung.

Dem Betrug keine Chance

Die Einsatzmöglichkeiten des Thermografie-Scans sind so vielfältig wie die Betrügereien, die heute im Oldtimer-, aber auch Gebrauchtwagenmarkt zu finden sind. Der Originalzustand eines Oldtimers ist ein entscheidendes Kriterium für den Preis. Entsprechend hoch ist das Risiko, auf ein nachgebessertes Modell zu stoßen.

Eine Messung mit einem Lackschichtdickenmesser erfolgt in der Regel nur punktuell, gespachtelte und nachlackierte Stellen können schnell übersehen werden. Eine größere Fläche so zu vermessen, wäre nicht nur zeitaufwändig, sondern würde auch nur eine lange Liste mit Messwerten liefern, die noch dazu durch Ungenauigkeiten beim Aufsetzen vor allem auf nicht ebenen Flächen verfälscht und nicht reproduzierbar ist. Kommt es zu Streitigkeiten vor Gericht, kann ein Richter ein Thermografie-Bild einfacher deuten als eine Liste mit Messwerten. Auch bei der Erstellung eines qualifizierten Wertgutachtens ist die Thermografie hilfreich. Die von den Versicherungen oft geforderten Schnell-Gutachten dienen lediglich der Versicherungseinstufung, bei Unfall oder Diebstahl sagen sie aber nichts über den realen Wert eines Fahrzeugs aus. Das Verfahren kann außerdem unsachgemäße, nicht nach Herstellervorgabe ausgeführte Reparaturen nachweisen. "Wir hatten den Fall eines Porsche Coupe, dessen hinterer Kotflügel zwar fachgerecht, aber mit einem von Porsche dafür nicht zugelassenen Teil, nämlich dem Seitenteil eines Cabrios, repariert wurde. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern es droht zusätzlich der Entzug des H-Kennzeichens", betont Michael Veith.

Sachverstand gefragt

Doch auch bei neueren Fahrzeugen, vor allem im hochpreisigen Segment, schlagen Betrüger gerne zu. Sie kaufen Schrottfahrzeuge für relativ teures Geld, nur um die Fahrgestellnummer herauszutrennen und diese in ein gestohlenes Fahrzeug einzubauen. Doch selbst wenn die Schweißnähte noch so sauber verschliffen und überlackiert sind, erkennt die Thermografie auch hier die Manipulation. Eine weitere Masche: Unfall- oder Hagelschäden an hochwertigen Fahrzeugen werden nur unzureichend repariert, anschließend foliert und der Schaden mit der Versicherung abgerechnet. "Bislang mussten Versicherungen immer ein 50:50-Risiko eingehen, wenn sie die Folie zur Überprüfung entfernen ließ. Mit der Thermografie lassen sich auch Schäden unter der Folie nachweisen", so Michael Veith.

Und leider gibt es auch unter den Werkstätten schwarze Schafe, die das Verfahren jetzt überführen kann. "An meinem eigenen Fahrzeug rechnete die Werkstatt mit der Versicherung unter anderem einen neuen Kotflügel ab. Auf dem Bild der Thermografie zeigte sich aber, dass der alte nur gespachtelt wurde", erzählt Volker Carl. Doch ganz so einfach, wie es klingt, ist das Verfahren nicht. Die exakte Auswertung gerade der erzeugten Messwerte und Wärmeverlaufskurven setzt hohen Sachverstand und reichlich Erfahrung voraus. Wer das Verfahren im Oldtimerbereich einsetzt, sollte außerdem Kenntnisse bezüglich der Historie im Fahrzeugbau haben. Oder hätten Sie gewusst, dass ein Porsche 356 bereits ab Werk an mehreren Stellen verzinnt wurde? Wenigstens ein Punkt, den die Thermografie zwar erkennt, der aber keinen Anlass zur Sorge bietet, sondern ein Zeichen der Originalität ist.

Kurzfassung

Das Thermografie-Verfahren der Firma Carl Messtechnik ermöglicht das exakte und vollflächige Auffinden von versteckten, unsachgemäßen oder unerlaubten Reparaturen. Das macht es so interessant für Werkstätten, Händler, Gutachter und Versicherungen.

Modelle, Preise, Standorte

Die Firma Carl Messtechnik bietet Geräte in unterschiedlichen Variationen. Ein Handgerät für die Messung kleinerer Flächen, wie einzelne Türen oder Kotflügel, aber auch zur Überprüfung von Carbon-Laminaten, kostet rund 7.000 Euro, die schnell auf- und abbaubare Stativ-Version beginnt bei 25.000 Euro, die große, mobile Version mit L-förmigem Arm, der auch Dach und Hauben scannt, kostet rund 38.000 Euro. Darin sind das Gerät, Software, Rechner und eine 2-Tages- Schulung enthalten.Ein kompletter Fahrzeug-Scan kostet ca. 490 Euro in einem Prüfzentrum, bei Anreise mit einer mobilen Anlage zum Vor-Ort-Termin kommen Reisekosten dazu.Alle Infos unter www.classic-car-check.com

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