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Hauptuntersuchung: Bremsprüfstand ade

06.06.2018 11:00 Uhr
FSD Dresden Hauptuntersuchung
Jürgen Bönninger, Geschäftsführer der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH in Dresden, mit einem Messgerät zur Abgasmessung im normalen Straßenverkehr.
© Foto: Armin Wutzer

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Woher weiß der TÜV-Prüfer bei jedem Auto haargenau, was darin verbaut ist und was er wie prüfen muss? Und wie kommen die Grenzwerte zustande, die dabei einzuhalten sind? Wichtige Fragen, deren Antwort vermutlich trotzdem nicht jeder kennt. Die Antwort darauf findet sich in Dresden, bei der FSD Fahrzeugsystemdaten GmbH.

Das Unternehmen wurde 2004 auf Betreiben von Bund und Ländern sowie von TÜV, Dekra, GTÜ, KÜS und weiteren Prüforganisationen gegründet. Seitdem sammelt FSD im gesetzlichen Auftrag Fahrzeugdaten und entwickelt daraus die Vorgaben, Prüfverfahren und Technologien, die den Sachverständigen bei der Hauptuntersuchung (HU) helfen, Störungen, Verschleiß oder Manipulationen zu erkennen. Mittlerweile stellt das Unternehmen mit 150 Mitarbeitern für mehr als 100 Millionen Fahrzeuge Prüfvorgaben bereit. Auch der seit 2015 vorgeschriebene HU-Adapter stammt von FSD. Wo wenn nicht hier sollte sich also mehr über die HU und ihre Zukunft herausfinden lassen? asp war vor Ort und hat mit Geschäftsführer Jürgen Bönninger gesprochen.

asp: Seit rund drei Jahren ist der HU- Adapter mittlerweile offiziell im Einsatz. Wie geht es nun weiter?

J. Bönninger: Wir arbeiten daran, die Funktionen des HU-Adapters auszubauen. Wir halten mit der rasanten Entwicklung der elektronischen Fahrzeugtechnik mit und integrieren die neuesten Systeme, wie eCall oder Notbremsassistenten in die elektronische Hauptuntersuchung. Der Adapter ist so ausgelegt, dass sich auch hoch assistierte Fahrfunktionen wie Autobahnpiloten oder Stauassistenten damit prüfen lassen. Ebenso wollen wir mit dem HU-Adapter künftig fahrdynamische Untersuchungen ermöglichen. Die entsprechende Messsensorik ist bereits verbaut, wird unter anderem für die Verzögerungs- und Achsdämpfungsprüfung genutzt und wartet darauf, dass wir weitere Prüfverfahren entwickeln.

asp: Klingt nach einer Menge Arbeit, die Sie da vor sich haben ...

J. Bönninger: Das stimmt. So haben wir vor zwei Jahren auch begonnen, die Vernetzung der Fahrzeuge mit ins Auge zu fassen. E-Call ist nur der Anfang. Künftig wird unter anderem noch Car-to-Car- und Car-to-Infrastructure-Kommunikation hinzukommen. Auf unserem Werkstattdach in Radeberg steht bereits ein entsprechendes Testmodul. Mit ihm können wir Signale an reale Testfahrzeuge senden und so beispielsweise Ampeln, Baustellen und andere Autos simulieren. Damit testen wir dann die vernetzten Kommunikations- und Fahrfunktionen. Also: Bremst ein Fahrzeug, wenn wir ihm das Signal senden, dass vor ihm eine Ampel rot wird? Wenn sich das bei vielen Autos durchgesetzt hat, werden auch auf den Dächern von Prüfstellen und Werkstätten solche kompakten und preiswerten Testmodule stehen. Ich rechne damit, dass dies in spätestens 10 Jahren der Fall sein wird.

asp: Müssen die Werkstätten angesichts solcher Entwicklungen künftig nicht mit hohen Investitionen rechnen, wenn sie die HU weiter anbieten wollen?

J. Bönninger: Im Gegenteil - Investitionen in große Gerätschaften gehören meiner Auffassung nach bald der Vergangenheit an. Die Betriebe und die Prüforganisationen werden stattdessen in die digitale, elektronische Diagnose investieren. Die ist wesentlich effektiver und die Geräte dafür sind kleiner sowie in der Regel günstiger. Die beiden Sensoren für die Achsdämpfungsprüfung mit dem HU-Adapter kosten zum Beispiel nur einen beziehungsweise zwei Euro. Der Rest ist Applikation und künstliche Intelligenz. Und jetzt denken Sie an die herkömmlichen Achsdämpfungsprüfanlagen. Die sind um ein Vielfaches teurer. Die Prüfungsfahrt mit angeschlossenem HU-Adapter wird darum zukünftig wesentlich mehr Inhalte haben. Beispielsweise werden die Fahrzeuge zur Achsdämpfungsprüfung über eine Schwelle oder zur ABS-Prüfung über eine Split-Fläche von einem bis zwei Quadratmetern fahren. Bei der Auswertung der Messergebnisse des HU-Adapters auf einem Smartphone oder Laptop zeigt eine Kurve im Anschluss haargenau, ob das ABS geregelt hat. Bei automatisierten Fahrfunktionen wird das Auto dann kurz automatisiert auf dem Werkstattgelände fahren müssen. Danach schaut der Prüfer zum Beispiel: Hat die Kamera das Schild oder die Ampel erkannt? Hat das Auto daraufhin angehalten? Um das zu testen, sind keine großen Investitionen nötig. Die Werkstätten müssen sich also auf die Reparatur dieser Systeme, nicht aber auf teure Prüfgeräte einstellen. Voraussetzung ist, dass die Werkstätten die Daten für die notwendigen Reparaturen von den Fahrzeugherstellern diskriminierungsfrei zur Verfügung gestellt bekommen. Dafür müssen wir uns mit aller Kraft einsetzen.

asp: Eine Werkstatt sollte es sich also zum Beispiel genau überlegen, ob sie sich 2030 noch einen neuen Bremsprüfstand anschafft?

J. Bönninger: Ja. Das ist zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr die richtige Technik für moderne Fahrzeuge. Die großen Nachteile eines Rollenbremsprüfstands sind die sehr niedrige Geschwindigkeit der Rollen und der quasi-statische Zustand. Wir wollen die reelle Mindestverzögerung von Fahrzeugen nachweisen. Das Fahrzeug auf der Rolle steht aber! Da ist eine dynamische Prüfung, bei der sich die Bremskraft auf alle Räder verteilt, die Achslasten sich entsprechend verlagern und bei der auch noch Regelvorgänge des Fahrzeugs berücksichtigt werden, wesentlich effizienter.

asp: Moderne Fahrzeuge sind bereits in der Lage, Fehler selbst zu diagnostizieren. Wird die HU irgendwann überflüssig?

J. Bönninger: Das glaube ich nicht. Die Eigendiagnose ist nur so gut, wie sie der Hersteller designt. Und wenn ein Fahrzeug neu auf den Markt kommt, kann niemand wissen, welche Mängel nach drei, vier und mehr Jahren auftreten werden. Dafür gibt es die Hauptuntersuchung. Sie muss den Fahrzeughalter auch auf Defekte hinweisen, die die Eigendiagnose nicht erkennt. Daneben ist es leider auch unsere Aufgabe, Manipulationen zu erkennen. Denn spätestens drei, vier Jahre nach Markteinführung haben Hacker und Tuner die Fahrzeuge so weit verstanden, dass sie Eigendiagnose, Tacho, Leistung, Bremsen, Abgasrückführung oder Lichttechnik umcodieren können. Im Sinne der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes muss der Gesetzgeber zusammen mit uns und den Prüforganisationen durch die HU sicherstellen, dass möglichst keine manipulierten Fahrzeuge auf die Straße und in den Gebrauchtwagenmarkt kommen.

asp: Ein Thema ist - Sie haben es gerade genannt - die Kilometermanipulation. Wann wird das Teil der HU?

J. Bönninger: Nach den Vorgaben der EU-Richtlinie 2014/45 müssen die Prüfer den Tachostand auf Manipulationen überprüfen. Deshalb stellen wir heute dem Sachverständigen die Laufleistung der letzten Hauptuntersuchung zur Verfügung und zusätzlich wird die Laufleistung über den HU-Adapter ausgelesen. Da fällt es dann auf, wenn der Tachostand plötzlich niedriger ist als vorher. Wir werden das weiter treiben und den Tachostand mit weiteren Informationen abgleichen, die wir mit dem HU-Adapter auslesen. Das sind zum Beispiel die Betriebsstunden oder Meldungen aus dem Fehlerspeicher mit Kilometerstempel. Sobald wir diese Technologie produktionsreif entwickelt haben, werden wir das Verfahren ausliefern. Das wird ein weiterer Beitrag der HU zum Verbraucherschutz sein.

asp: Vielen Dank für das Gespräch!

Kurzfassung

Die Experten bei FSD arbeiten daran, neue Anwendungs- und Prüfszenarien für den HU-Adapter zu entwickeln. Das soll die Hauptuntersuchung für die Werkstätten zum einen günstiger machen und zum anderen gewährleisten, dass die HU mit dem technischen Fortschritt in den Fahrzeugen Schritt hält.

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