Wenn Martin Zinselmeyer (45) über seinen Wagen spricht, dann redet er nicht über PS und Verbrauch, sondern über Gefühle und Gerüche. Er erinnert sich, wie er als Kind die mollige Wärme des Motors spürte und dabei durch das Rückfenster in den Himmel sehen konnte, wenn seine Mutter zum Besuch der Oma über Land fuhr. Er schildert, wie sich das Kunstleder auf der Rückbank anfühlte, wenn dort an heißen Tagen die mit Sonnenmilch eingecremten Beine festklebten. Und er schwärmt davon, wie es ist, wenn man die Tür öffnet und einem die unverkennbare Duftmischung aus Kunstleder und Rosshaar (als Sitzfüllung) entgegenschlägt. Nur ein Käfer-Liebhaber kann auf diese Weise über ein Auto sprechen. Zinselmeyer sitzt in einem altmodischen Café in Orsoy, einer winzigen Ortschaft am Niederrhein. Drüben auf der anderen Rheinseite ist noch Ruhrgebiet, aber hier schnattern die Gänse. Vor der Tür parkt Zinselmeyers Käfer mit glänzendem Lack und glitzerndem Chrom, fontana-grau, Baujahr 1967, und neben ihm sitzt sein Freund und ehemaliger Kommilitone Jürgen Siebers alias "Käfer-Jürgen" (43). Die beiden sind auf ihrer jährlichen Nostalgie-Tour: Sie fahren eine Ausflugsstrecke ab, die in den 50er oder 60er Jahren in der Käfer-Zeitschrift "Gute Fahrt" empfohlen wurde. Dabei bevorzugen sie Hotels und Pensionen, die schon damals erwähnt wurden. "Leider müssen wir jedes Mal feststellen, dass die Zimmerpreise von ungefähr 2,50 D-Mark nicht kursstabil geblieben sind." Wenn die beiden unter sich sind, spricht Zinselmeyer nicht von seinem Käfer, sondern nur von "Rexi". Der Name leitet sich vom Kennzeichen ab: RE-X-65. Das Fahrzeug stammt aus Recklinghausen und ist in einem unrestaurierten Originalzustand. Ursprünglich gehörte es einer älteren Dame aus Zinselmeyers Nachbarschaft. Eines Tages sprach er sie an der Tankstelle an: "Wenn Sie den mal nicht mehr brauchen, dann sagen Sie Bescheid!" Ein Jahr später meldete sie sich. "Ich weiß noch, wie sie bei strahlendem Wetter aus der Garage fuhr. Sie war mit dem Wagen noch nicht ganz aus dem Rolltor raus, da stand für mich fest: Den muss ich haben!" Zusammen absolvierten sie eine Probefahrt - wobei die alte Dame den Lenker für keinen Moment aus der Hand gab. Den Preis von 4.000 Mark bezahlte Zinselmeyer von seinem ersten selbst verdienten Geld als Maschinenbauingenieur.
Reportage: Mein Käfer und ich
Einmal jährlich starten Jürgen Siebers alias "Käfer-Jürgen" und sein ehemaliger Kommilitone Martin Zinselmeyer mit ihren Schätzchen zur Nostalgietour. Sie fahren Ausflugsstrecken ab, die in den 50er oder 60er Jahren in der Käfer-Zeitschrift "Gute Fahrt" empfohlen wurden.