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Interview: Wir müssen auch Software prüfen

19.01.2017 11:00 Uhr
Interview: Wir müssen auch Software prüfen

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asp: Herr Wolz, welche Themen haben Sie seit Amtsantritt am meisten beschäftigt?

J. Wolz: Im Werkstattgeschäft war das Thema DAkkS-Akkreditierung für uns als Prüforganisation ein herausragendes Thema. Einerseits stand die Reakkreditierung als Überwachungsorganisation an. Andererseits ging es um die Frage, welche alternativen Anforderungen in den Prüfstützpunkten erfüllt werden müssen, um auch weiterhin dort die HU durchführen zu können. Hier geht es um die eingesetzten Prüfmittel in den Werkstätten, also Bremsprüfstände, Scheinwerfereinstellprüfgeräte und -plätze sowie AU-Geräte. Hintergrund ist die Überführung des deutschen Systems der Prüfmittelüberwachung mit Eichung und Stückprüfung in die europäische Systematik nach der ISO-Norm, die nur noch eine Kalibrierung kennt.

asp: Was kommt auf Werkstätten hier zu?

J. Wolz: Für die Prüfstützpunkte und Werkstätten müssen wir jetzt die Nachweisführung gemeinsam mit den Inhabern schrittweise aufbauen. Das ist die Herausforderung für dieses Jahr: Wir benötigen von allen Prüfstützpunkten die Information, welche Prüfmittel vorhanden sind und ob sie kalibriert bzw. stückgeprüft sind. Außerdem benötigen wir die entsprechenden Nachweise: Kalibrierprotokolle, Eichscheine, Stückprüfungsprotokolle, um das auch gegenüber der DAkkS und den obersten Landesbehörden nachweisen zu können. Das Problem ist, dass es bislang weder Verfahren für die Kalibrierung bisher stückgeprüfter bzw. geeichter Prüfmittel gibt und zudem die akkreditierten Dienstleister fehlen, die eine solche Kalibrierung durchführen könnten. Deshalb gibt es das 2016 im Verkehrsblatt veröffentlichte Übergangsszenario bis Ende 2020, das stufenweise an das ISO-konforme Kalibrierverfahren heranführt. Aber auch dieses muss sukzessive und stufenweise umgesetzt werden.

asp: Ist diese Problematik den Werkstätten überhaupt noch vermittelbar?

J. Wolz: Manche Information und Entscheidung sind leider vom Gesetzgeber nicht so gekommen wie erwartet. Es fehlt beispielsweise immer noch der Leitfaden, der die Details zur Überprüfung des Systems zur Scheinwerferprüfung (Gerät in Kombination mit Fahrzeugaufstellfläche) festlegt. Dieser ist die Grundlage dafür, um der Werkstatt zu sagen, ob der vorhandene Prüfplatz samt Gerät geeignet ist oder nicht. Weil diese Details noch nicht bekannt sind, mussten wir uns in der Kommunikation sehr zurückhalten. Stellen Sie sich vor, eine Werkstatt investiert, um dann festzustellen, dass die Investition aufgrund geänderter Toleranzen, anderer vorgeschriebener Kalibrierverfahren oder Festlegungen doch nicht erforderlich gewesen wäre.

asp: Viele Werkstätten müssen so oder so investieren, um die Anforderungen für die Durchführung der HU zu erfüllen. Wollen diese Betriebe überhaupt investieren?

J. Wolz: Wir haben eine Befragung von Werkstätten bei einem unabhängigen Dienstleister beauftragt. Das Ergebnis zeigt, dass 85 Prozent der Betriebe auf jeden Fall weiterhin die HU als Service anbieten wollen und entsprechend in den Scheinwerfereinstellplatz investieren.

asp: Mit welchen Investitionen müssen Werkstätten rechnen?

J. Wolz: Je nach Ausgangssituation vor Ort ist der Aufwand unterschiedlich. Wenn bauliche Maßnahmen am Boden nötig sind, muss der Betrieb schnell einen hohen vierstelligen oder gar fünfstelligen Betrag veranschlagen. Es gibt aber mittlerweile auch viele günstigere technische Lösungen, die wir teilweise zusammen mit den Herstellern entwickelt haben: Aufsetzbare Metallplatten für die Werkstatt, nivellierbare Hebebühnen oder Flächen, die nachträglich plan ausgegossen werden.

asp: Ab 2020 müssen Werkstätten auch Bremsprüfstände vorhalten, die richtlinienkonform sind. Könnte es hier, wie teilweise befürchtet, zu Engpässen kommen?

J. Wolz: Das ist angesichts langer Lieferzeiten nicht ganz unrealistisch. Wir empfehlen unseren Kunden, sich frühzeitig um das Thema zu kümmern. Wir selbst sind mitten im Austausch in unseren eigenen Prüfstellen. Insgesamt müssen wir circa 400 Prüfstände an unseren TÜV SÜD Service-Centern ersetzen, der Großteil steht noch in diesem Jahr an.

asp: Wie sieht es bei der Umsetzung des ASA-Livestreams speziell mit Bremsprüfständen aus? Hier ist immer wieder von Problemen die Rede...

J. Wolz: Das Thema ASA-Livestream ist ganz klar im Anfangsstadium. Wir stellen das in unseren eigenen TÜV SÜD Service-Centern bereits um. Dort funktioniert es bereits sehr gut. Die Ausrollung in die Fläche braucht aber noch Zeit. In den Werkstätten ist das Zusammenspiel von Prüfstand, HU-Adapter und Software der Prüfgesellschaften die große Herausforderung. Dazu sind wir mit dem ASA-Verband in einem intensiven Austausch. Es macht keinen Sinn, das vor 2019 flächendeckend auszurollen, weil in den Werkstätten die Bremsprüfstände noch nicht entsprechend ausgerüstet sind. Viele Betriebe haben neue Prüfstände gekauft, aber ohne ASA-Modul, das laut Hersteller jedoch nachgerüstet werden kann.

asp: Sollten Betriebe ein eigenes W-LAN für den ASA-Livestream bereithalten - das wäre noch eine zusätzlich Investition?

J. Wolz: Der Prüfingenieur muss sich bei der Prüfung möglichst einfach in das Netzwerk einklinken können. Alles andere verzögert den Rüstprozess. Auch im Hinblick auf datenschutzrechtliche Vorgaben ist die Bereitstellung eines separaten W-LAN-Netzes sicher sinnvoll, ist jedoch immer im Einzelfall zu bewerten.

asp: Welches Zwischenfazit können Sie bei der Einführung des HU-Adapters ziehen?

J. Wolz: Die Einführung hat sehr gut funktioniert und der Betrieb läuft viel problemloser als gedacht. Der HU-Adapter unterstützt jetzt schon die Sachverständigen und Prüfingenieure vor Ort.

asp: Wie können die Funktionalitäten des HU-Adapters weiterentwickelt werden?

J. Wolz: Im Hinblick auf zukünftige Themen denken wir momentan an die Einführung der Prüfung des E-Call Systems. Wir arbeiten außerdem daran, eine Prüfmöglichkeit für Softwarestände und Softwaremanipulationen im Auto zu entwickeln. Durch aufgespielte Steuergeräte-Updates ist es möglich, Fahrzeuge zu tunen. Wir müssen als Prüforganisation in der Lage sein, jederzeit festzustellen, ob der Softwarestand noch der freigegebenen Version des Herstellers oder einer freigegebenen Tuningversion entspricht. Illegales Chiptunig oder nicht mehr vorschriftenkonforme Softwarestände könnten dadurch erkannt werden. Dazu bedarf es aber einer Datenbank für freigegebene Softwarestände bezogen auf den Fahrzeugtyp/Fahrzeug.

asp: Geben die Fahrzeughersteller diese Informationen heraus?

J. Wolz: Die Hersteller sind aufgrund aktueller Diskussion bereit, Daten herauszugeben. Die Herausforderung ist die Entwicklung einer sauberen Datenbank.

asp: In naher Zukunft kommen hochautomatisierte Autos auf die Straße. Wie kann deren Sicherheit gewährleistet werden?

J. Wolz: An diesen Themen arbeiten wir ebenfalls mit Hochdruck. Wir sind die einzige unabhängige Prüforganisation, die sowohl beim Pilotprojet Pegasus als auch bei den Arbeitsgruppen des "Runden Tisches zum automatisierten und vernetzten Fahren" dabei ist. Dabei handelt es sich um ein großes Projekt zum Thema automatisiertes Fahren, das von der Bundesregierung initiiert wurde. Hier werden Werkzeuge, Messparameter und Prozesse entwickelt, um die Wirksamkeits- und Zuverlässigkeitsanalyse für automatisierte Systeme durchführen zu können. Als Prüforganisation sind wir sowohl bei der Homologation solcher Systeme gefragt, aber auch bei der regelmäßigen technischen Überwachung. Wir haben den Bereich automatisiertes Fahren mit Houssem Abdellatif als neuer Business Line Manager personell verstärkt. Er leitet das Projekt "Highly Automated Driving" bei TÜV SÜD Auto Service GmbH. Letztlich geht es darum, hochautomatisiertes Fahren sicher auf die Straße zu bringen und dieses über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs zu gewährleisten.

asp: Wie sieht die Zeitschiene bei der Erweiterung der HU aus?

J. Wolz: Die nächsten fünf Jahre sind quasi gesetzt, da die aktuelle europäische PTI-Richtlinie bis Mai 2018 in Deutschland umgesetzt sein muss. Dies geschieht mit der so genannten Fahrzeuguntersuchungsverordnung, die die derzeitigen Paragraphen zur HU und SP der StVZO ersetzen wird und bis Mai 2017 veröffentlicht werden soll. Was danach kommt, ist noch ungewiss. Ein Ziel der EU ist sicherlich die gegenseitige Anerkennung der HU innerhalb der Europäischen Union sowie der weitere Ausbau der elektronischen Prüfpunkte.

asp: Mit der "Work Box" hat TÜV SÜD eine neue Form für die Prüfstelle entwickelt. Eine Prüfstelle im Container. Welche Idee steht dahinter?

J. Wolz: Letztlich geht es auch darum neue Märkte zu testen. Es ist ein geringerer Invest als eine Prüfstelle im Beton und baurechtlich leichter zu realisieren, um zum Beispiel neue Standorte zu testen. Es erfolgt aber eine feste Installation - die Work-Box ist also nicht "mobil". Aber wir können mit der Prüfbox auch flexibel auf Kundenanforderungen reagieren. Die Prüfbox kann beispielsweise als Shop-in-Shop-Lösung auf dem Gelände eines Autohauses installiert werden. Es handelt sich dabei um eine komplette Prüfstelle, die von einem namhaften Werkstattausrüster ausgerüstet wird. Mit der Lösung haben wir im Markt derzeit ein Alleinstellungsmerkmal.

asp: Wie geht es bei der Abgasuntersuchung weiter? Kommt die Endrohrmessung?

J. Wolz: Es ist davon auszugehen, dass noch in diesem Jahr wieder die verpflichtende Endrohrmessung kommt. Das ist auch im Sinne der europäischen PTI-Richtlinie. Wir haben festgestellt, dass es Manipulationen gibt, die über die reine OBD-Prüfung nicht festgestellt werden können. Das muss also durch eine Endrohrmessung ergänzt werden. Genauso aber auch andersherum. Gleichzeitig muss aber auch eine Absenkung der Grenzwerte und die Weiterentwicklung angegangen werden, also z. B. die Messung der Partikelanzahl oder des NOx-Ausstoßes.

Interview: Dietmar Winkler

Kurzfassung

TÜV SÜD bereitet sich mit Hochdruck auf die weitere Digitalisierung der Fahrzeugtechnik vor und überlegt schon jetzt, wie die Sicherheit bei hochautomatisierten Autos gewährleistet werden kann. Dazu ist ein Blick auf die Software notwendig.

Jürgen Wolz

Jürgen Wolz ist seit April letzten Jahres als Chief Operating Officer (COO) für das operative Geschäft der TÜV SÜD Auto Service GmbH verantwortlich. Der studierte Diplom-Ingenieur, Fachrichtung Maschinenbau, ist seit 1997 für TÜV SÜD tätig. Vor seinem Wechsel in die Geschäftsleitung hatte der 51-Jährige seit 2011 die Leitung der Technischen Prüfstelle für den Kfz-Verkehr in Bayern inne. Sein Verantwortungsbereich umfasst nicht nur die amtlichen Dienstleistungen wie Haupt- und Abgasuntersuchungen. TÜV SÜD Auto Service GmbH bietet unter anderem auch Schaden- und Wertgutachten, Gebrauchtwagen-Zertifikate, Fahrzeugmanagement, Umweltmanagement für Werkstätten sowie Qualitätsmanagement.

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