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Interview: Sehr hohe Anforderungen

22.03.2018 11:00 Uhr
Thomas Sieber TÜV SÜD
Thomas Sieber ist Leiter der Überwachungs­organisation und Prüftechnik bei TÜV SÜD.
© Foto: TÜV SÜD

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asp: Die Kalibrierung von Prüfmitteln für die Hauptuntersuchung verlief im vergangenen Jahr nur schleppend. Wie ist die Situation für Werkstätten jetzt?

T. Sieber: Seit 1.1 2018 dürften eigentlich Kalibrierungen nur noch von akkreditierten Prüflaboren gemacht werden. Tatsächlich gibt es aber bisher nur drei akkreditierte Labore für die Kalibrierung von Bremsprüfständen in Deutschland, für Scheinwerfereinstellgeräte sogar nur zwei. Tendenz steigend. Die Kapazitäten sind also immer noch begrenzt. Die Antragsteller konnten die Akkreditierung für die Kalibrierung von Scheinwerfereinstellprüfgeräten und Bremsprüfständen aus den unterschiedlichsten Gründen nicht früher erhalten. Zuständige Stelle für die Akkreditierung ist die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAkkS) in Berlin.

asp: Warum ist die Akkreditierung so problematisch?

T. Sieber: Zum einen mussten die Verfahren für die Kalibrierung erst erarbeitet werden, diese sind nicht vorgegeben. Vor allem beim Bremsenprüfstand besteht eine hohe Abhängigkeit vom Hersteller des Prüfstandes. Dieser muss für jeden Prüfstand die entsprechende Schulung anbieten, eine entsprechende Kalibrieranweisung erstellen und er muss teilweise die passenden Werkzeuge zur Verfügung stellen - ohne den Hersteller kann die Kalibrierung nicht funktionieren. Da gab es auch auf Industrieseite teilweise Verzögerungen. Außerdem gibt es Bestrebungen, ein herstellerunabhängiges Verfahren für Bremsprüfstände zu entwickeln. Das ist ein sinnvoller Ansatz, allerdings sind da noch nicht alle Probleme im Detail gelöst. Beim Scheinwerfereinstellgerät ist die Abhängigkeit vom Hersteller geringer, sie wird aber zunehmen, wenn mehr digitale Geräte in den Markt gelangen. Für digitale Scheinwerfereinstellgeräte ist teilweise eine herstellerspezifische Software notwendig.

asp: Ist TÜV SÜD bereits als Prüflabor akkreditiert?

T. Sieber: Wir streben wie alle Prüforganisationen die Akkreditierung als Prüflabor an und haben das entsprechende Audit durch die DAkkS bereits absolviert. Die Ergebnisse des Audits liegen uns jetzt vor und Nachbesserungen werden sukzessive umgesetzt.

asp: Warum ist es für Prüforganisationen wichtig als Prüflabor akkreditiert zu sein?

T. Sieber: Die Akkreditierung als Prüflabor ist die Voraussetzung dafür, dass wir unsere eigenen Messmittel selbst kalibrieren dürfen und diese Kalibrierungen auch von Dritten anerkannt werden können. Alle bei der Kalibrierung verwendeten Messmittel müssen selbst rückführbar kalibriert sein. Das geht nur in einem dafür geeigneten Labor mit den geeigneten Prüfmitteln, die selbst wiederum kalibriert sein müssen. Der Begriff Kalibrierlabor stammt aus der europäischen Norm DIN EN ISO 17025.

asp: Was bedeutet Rückführbarkeit in dem Zusammenhang?

T. Sieber: Der europäische Gesetzgeber hat entschieden, dass auch im Bereich der Kfz-Überwachung alle eingesetzten Messmittel für die Kalibrierung eines Bremsprüfstandes oder eines Scheinwerfereinstellgeräts hohe Messgenauigkeiten besitzen müssen. Einfach erklärt geht es darum, dass alle Messmittel tatsächlich das Richtige anzeigen, dass beispielsweise ein Lineal tatsächlich einen Meter anzeigt und nicht etwa einen Millimeter mehr. Das System der Rückführbarkeit sieht vor, dass jedes verwendete Messmittel mit einem anderen Messmittel verglichen wurde, das seinerseits anhand eines noch höherwertigen Messmittels kalibriert wurde. Die Reihe muss vollständig und nachweisbar sein, wenn sie so wollen, bis zum Urmeter in Paris. Ein ziemlich aufwändiges Verfahren.

asp: Nur wenige Werkstätten konnten zu Jahresbeginn für ihre HU-Prüfmittel bereits eine Kalibrierung vorweisen. Wie gehen die Behörden damit um?

T. Sieber: Die technische Überwachung ist im föderalen System Ländersache. Vor diesem Hintergrund haben alle Bundesländer für Scheinwerfereinstellprüfsysteme und Bremsprüfstände unterschiedliche Übergangsregelungen geschaffen. Fünf Länder haben sich an bestehende Regelungen angelehnt. Das heißt in der Praxis: Es existieren derzeit elf unterschiedliche Regelungen je nach Bundesland. Fakt ist, dass der Markt eine ungeheure Dynamik aufgenommen hat. Die Kalibrierkapazitäten wachsen permanent an, so dass anhängige Aufträge abgearbeitet werden können.

asp: Was tut ein Prüfingenieur, wenn für die HU im Prüfstützpunkt kein regelkonformer Einstellplatz zur Verfügung steht. Dreht er dann auf dem Absatz um?

T. Sieber: Die Situation in den Werkstätten ist noch immer nicht komfortabel. Vielerorts steht die Kalibrierung noch aus. Die Handhabung gestaltet sich je nach Bundesland derzeit unterschiedlich. In den meisten Bundesländern müssen wir für die Abnahme der HU bestimmte Dokumente einfordern. In Bayern beispielsweise muss die Werkstatt eine gültige Stückprüfung nachweisen und eine schriftliche Auftragsbestätigung für die Kalibrierung vorlegen. Unter diesen Voraussetzungen darf der Prüfer übergangsweise die HU mit dem vorhandenen Bremsprüfstand durchführen. Es gibt aber auch Werkstätten, die von sich aus sagen, sie tun sich das nicht an und verzichten künftig auf die HU im eigenen Betrieb.

asp: TÜV SÜD ist bei den Prüfstützpunkten also auf die Eigeninitiative der Werkstätten angewiesen?

T. Sieber: Genauso ist es. Die Prüfstützpunkte sind freie Unternehmer, die jeweils selbst entscheiden, wie sie mit dem Thema umgehen. Andererseits, und hier ist das System zu hinterfragen, obliegt es den Prüfgesellschaften, die Einhaltung der Vorgaben hinsichtlich Kalibrierung von Prüfmitteln in den Prüfstützpunkten zu überwachen. Unser einziges Druckmittel wäre die Beendigung des Geschäftsverhältnisses mit dem Betrieb. Das wiederum kann jedoch niemandem gefallen.

asp: Wie viele Werkstätten müssen beim Bremsenprüfstand in eine Nachrüstung bzw. Neuanschaffung investieren?

T. Sieber: Viele Werkstätten haben noch nicht auf dem Schirm, dass auch beim Bremsprüfstand die Kalibrierung gefordert wird. Hier lauten die Aussagen der Hersteller dahingehend, dass viele Geräte, die vor 2011 installiert wurden, nicht mehr kalibrierfähig sind. Wir können nur sagen, dass in unseren Prüfgebieten in ca. 75 Prozent der Werkstätten Prüfstände im Einsatz sind, die älter sind als acht Jahre. Hier ist also dringend angeraten, sich schnell darüber zu informieren, ob eine Kalibrierung in der geforderten Weise möglich ist.

Interview: Dietmar Winkler

Kurzfassung

Noch im vergangenen Jahr war es schwer, einen geeigneten Dienstleister für die Kalibrierung eines Bremsprüfstandes zu finden. Das liegt unter anderem an den hohen Vorgaben der zuständigen Zertifizierungsstelle in Berlin.

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