Vor dem Besuch eines Autohauses steht für die meisten Autokäufer mittlerweile die Recherche im Internet. 75 Prozent der Gebrauchtwagenkäufer informieren sich vorab im Netz. Beim Neuwagenkauf sind es 68 Prozent. Schon hier können Autohäuser punkten, wenn sie im Netz gut auffindbar sind und bei der Google-Suche unter den ersten Ergebnissen auftauchen. Die Auffindbarkeit im Netz entscheidet über Kontakt und Nicht-Kontakt.
Für den Digitalreport haben Experten von TÜV SÜD die Online-Aktivitäten von mehr als 650 Autohäusern bundesweit untersucht. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen deutliches Verbesserungspotenzial: Nur 21 Prozent der untersuchten Händler sind sehr gut oder gut bei der digitalen Vermarktung ihrer Autos. 48 Prozent offenbaren erheblichen Nachholbedarf und knapp ein Drittel der größten Autohäuser erzielt sogar extrem schlechte Werte im Bewertungsraster von TÜV SÜD.
Beurteilung anhand fester Kriterien
Im Fokus standen jeweils die 20 größten Händler einer Marke. Insgesamt 48 Kriterien wurden dabei unter die Lupe genommen, darunter die Qualität der Webseite, die Möglichkeiten der Onlinekommunikation, Onlinevertrieb oder die Präsenz auf Social-Media-Plattformen. Bei der Bewertung der Händlerwebseite wurden die Angebote auf die Technik, die Leistung sowie auf suchmaschinenrelevante Inhalte hin analysiert. Bei der mobilen Nutzung standen Benutzerfreundlichkeit sowie die Leistung im Fokus.
Beim Check der Onlinepräsenz wurden die wesentlichen Faktoren der erfolgreichen Interessentengewinnung analysiert. Im Detail wurde geprüft, wie gut Internetnutzer das Autohaus auf Google finden können und wie qualitativ hochwertig das Unternehmensprofil dort erscheint. Ein weiterer Aspekt war der Nutzungsgrad der Händlerhomepage auf mobile.de. Die TÜV SÜD-Experten haben zudem geschaut, wie gut die Onlinekommunikation auf der Unternehmenswebseite mit dem Besucher funktioniert. Dazu gehört die Interaktion via Text- oder Videochat, die Onlineterminbuchung im Aftersales sowie die Kommunikation von positiven Produkt- und Unternehmensbewertungen.
Tobias Eppler, Digitales Consulting TÜV SÜD Auto Plus: "Unser TÜV SÜD Digitalreport 2016/17 zeigt, dass ein Großteil der Händler noch deutliches Verbesserungspotenzial hat. Als Branchenpartner wollen wir dieses Potenzial aufdecken und gemeinsam mit unseren Kunden Verbesserungsstrategien für den digitalen Auftritt entwickeln - vom Konzept bis zur Umsetzung."
SEO erfordert Fachwissen
Ob ein Autohaus bei Google gefunden wird oder nicht, ist kein Zufall. Tobias Eppler: "Der Suchalgorithmus von Google ist in den letzten Jahren so komplex geworden, dass dieser zwischenzeitlich schon fast einer künstlichen Intelligenz gleicht. Eine gute Suchmaschinenoptimierung (SEO) erfordert qualifizierte Mitarbeiter und benötigt viel Zeit." Oft könnten hier die betreuenden Werbeagenturen wenig Inhalt liefern, da der eigentliche Content viel Fachwissen erfordert.
"Die digitale Strategieentwicklung ist Chefsache, erfordert aber auch die Bereitschaft aller Mitarbeiter bestehende Prozesse neu zu überdenken und neues auszuprobieren", rät Tobias Eppler. Digitalisierung funktioniere nur, wenn alle Mitarbeiter an einem Strang ziehen und wissen, wo es hingeht. "Hierbei ist es wichtig, dass entweder ein Team aus mehreren Mitarbeitern oder ein ausgebildeter Mitarbeiter die digitalen KPIs stetig im Auge behält", ergänzt der Digitalfachmann.
Überraschend hoch ist die Aktivität der Autohäuser im Bereich Social Media: Immerhin 87 Prozent der Autohäuser besitzen ein Unternehmensprofil auf Facebook. Der genauere Blick auf die Aktivität der Autohäuser auf dem Social-Media-Kanal zeigt laut Untersuchung allerdings ein eher ernüchterndes Bild. Denn nur 32 Prozent der Autohäuser nutzen Facebook aktiv und wirklich professionell. Nebenbei ist das Thema Social-Media für Mitarbeiter eben nicht zu leisten.
Der Report
Der TÜV SÜD Digitalreport 2016/17 kann auf der Webseite von TÜV SÜD unter www.tuev-sued.de/autohaus-digitalreport kostenlos heruntergeladen werden.
Interview
Tobias Eppler, Digitales Consulting TÜV SÜD Auto Plus
asp: Wo steht der Autohandel in puncto Digitalisierung im Vergleich zu anderen Branchen?T. Eppler: Das kommt drauf an, mit welcher Branche man vergleicht. Blickt man in Bereiche wie die Hotel-, Gastro- und Reisebranche, so haben einige Hersteller bereits eine sehr professionelle Kundenansprache, die Händler jedoch oft noch deutlichen Nachholbedarf.asp: Was sind die wichtigsten Stellhebel für eine gute digitale Performance im Netz?T. Eppler: Das Wichtigste ist eine klare Strategie zu haben. Gut ausgebildete Mitarbeiter, mit den richtigen Tools zur Erfolgsmessung. Man muss den Markt, die Wettbewerber sowie die Interessen und Bedürfnisse der Kunden stets im Auge behalten. Die Bereiche, welche man digitalisiert oder online darstellt, müssen auch gut mit dem Offlinegeschäft verknüpft werden.asp: Entstehen durch die Digitalisierung auch neue Ertragschancen für Autohäuser?T. Eppler: Ja, auf jeden Fall. Es entstehen neue Wertschöpfungsketten, dies bietet dem Autohaus auch die Chance mit neuen Geschäftsmodellen Erträge zu generieren. So können beispielsweise die gefragtesten Reifen/Räder über den eigenen Onlineshop vertrieben werden. Dies sichert den Ertrag für das Brot- und Buttergeschäft und bietet die Chance, mit steigendem Umsatz bessere Konditionen beim Lieferanten zu erzielen.asp: Gab es echte Überraschungen bei der Untersuchung?T. Eppler: Ja, positiv wie auch negativ. Erschreckend war der geringe Anteil der Autohäuser, welche sich für die Meinungen der Kunden interessieren und auch aktiv auf negative Nutzerbewertungen reagieren, hier hätten wir gedacht, dass der Anteil doch deutlich höher liegt.asp: Wie kann TÜV SÜD helfen?T. Eppler: Im ersten Schritt bieten wir eine digitale Wettbewerbsanalyse an, um die Stärken und Schwächen des Unternehmens und deren Wettbewerber zu erfassen. Anschließend unterstützen wir Autohäuser dabei, ihre digitalen Schwächen in Stärken zu verwandeln und die Ziele für ihr Autohaus der Zukunft zu erreichen.
- Ausgabe 02/2017 Seite 54 (386.2 KB, PDF)