Ein neues Jahr beginnt und das alte Spiel geht wieder von vorne los. Gerade im Winter nehmen die Autounfälle zu. Natürlich ist eine gute Werkstattauslastung positiv, aber die Zahlungsmoral der Kunden ist nicht immer einwandfrei. Nach einem Unfall kommen die Kunden in die Werkstatt und lassen das Fahrzeug reparieren. Nun müssen oftmals teure Ersatzteile bestellt werden und mit der Reparaturarbeit geht man in Vorleistung. Doch nach der Rechnungsstellung wartet man darauf, dass sich der Kunde bequemt, die Leistung zu bezahlen, oder dass eine Versicherung den Schaden reguliert. Jeder Werkstattinhaber kennt diese Situation. Daher ist es an der Zeit, sich einmal alternative Lösungen, wie etwa das Factoring anzusehen.
Das bedeutet Factoring
Grundsätzlich versteht man unter Factoring den Verkauf von Forderungen. In dieser Situation tritt der Factor (ein Kreditinstitut oder ein Factorunternehmen) als dritte Person in das Leistungsverhältnis zwischen Werkstattinhaber und Kunden mit ein. Dabei kauft der Factor dem Werkstattinhaber alle oder einzelne Kundenforderungen ab, zahlt innerhalb von ein paar Tagen dem Werkstattinhaber je nach Ausformung des Factorings zwischen 70 und 90 Prozent der Kundenforderung aus und treibt gegebenenfalls die Forderung selbst beim Kunden ein ( siehe Grafik rechts).
Verschiedene Formen des Factorings
Bei der Ausgestaltung unterscheidet man echtes und unechtes Factoring. Beim echten Factoring - in Deutschland ist diese Form am häufigsten vertreten - kauft der Factor einzelne oder alle Kundenforderungen auf und übernimmt auch das Risiko des Forderungsausfalls, sogenanntes Delkredererisiko. Beim unechten Factoring hingegen übernimmt der Factor dieses Ausfallrisiko nicht. Daher wird diese Form des Factorings als eine Art Darlehen angesehen.
Des Weiteren wird zwischen Full Service Factoring und Inhouse Factoring unterschieden. Beim Full Service Factoring übernimmt der Factor das komplette Dienstleistungsspektrum, also von der Debitorenbuchhaltung über das Mahnwesen bis hin zum Inkassoverfahren. Im Gegensatz dazu verbleibt beim Inhouse Factoring die Debitorenbuchhaltung und auch das Mahnwesen im Betrieb.
Es gibt noch mehr Varianten: Man unterscheidet das offene vom stillen Factoring. Beim offenen Factoring wird dem Kunden gegenüber offengelegt, dass die Forderung an den Factor abgetreten ist. Dies wird oftmals von Betriebsinhabern nicht gewünscht, da eine Forderungsabtretung vom Kunden schlecht aufgefasst werden könnte. Daher gibt es auch die Möglichkeit eines stillen Factorings, bei dem der Kunde von der Forderungsabtretung nichts mitbekommt, da er weiterhin auf ein Konto des Werkstattinhabers zahlt, das sogenannte Factoringkonto, das dann zum Beispiel dem Factor abgetreten wird.
Vor- und Nachteile des Factorings
Für Unternehmen ergeben sich durch die Abtretung von Forderungen durchaus einige Vorteile:
- Verbesserung der Liquidität, da der Factor sofort einen Großteil der offenen Rechnungen begleicht
- Durch sofortigen Liquiditätszufluss können bestehende Kreditlinien reduziert und Neuanschaffungen getätigt oder Rechnungen mit Skontoabzug beglichen werden
- Erhöhung der Eigenkapitalquote durch Verkauf der Forderungen und der daraus resultierenden Verkürzung der Bilanzsumme
- Schutz vor einem totalen Forderungsausfall, da dieses Risiko der Factor übernimmt
- Planungssicherheit, da eine gewisse Größenordnung, zwischen 70 und 90 Prozent der offenen Rechnungen garantiert ausbezahlt werden
- Abbau von Verwaltungsaufwand beim Full Service Factoring, da der Factor die gesamte Abwicklung von Debitorenbuchhaltung über Mahnwesen bis hin zu einem Inkassoverfahren übernimmt
- Keine Rechtsanwaltskosten für das Eintreiben von Forderungen Diesen Vorteilen stehen aber auch einige Nachteile gegenüber:
- Je nachdem wie die Bonitätsprüfung ausfällt und der Arbeitsaufwand vom Factor eingeschätzt wird, kommen höhere oder niedrigere Kosten auf den Werkstattinhaber zu. Diese können zwischen 1 und 4 Prozent des angekauften Forderungsbestands betragen
- Eventuelle Imageprobleme beziehungsweise Kundenentfremdung bei einem offenen Factoring
Wann sich Factoring lohnt
Gerade im Mittelstand hält sich weiterhin die Meinung, dass Factoring nur etwas für Großunternehmen sei. Dies war sicherlich in der Vergangenheit zutreffend, doch in letzter Zeit gibt es immer mehr Anbieter, die sich gerade auch auf mittlere und kleine Betriebe spezialisiert haben. Dabei ist aber zu beachten, dass die Factoringgebühren meist höher sind, je geringer der Forderungsbestand ist. Manche Anbieter verlangen auch einen Mindestumsatz an verkauften Forderungen, der ungefähr bei 50.000 Euro pro Jahr liegt. Daneben hängt die Factoringgebühr meistens auch noch von dem geschätzten Arbeitsaufwand für den Factor und vom jeweiligen Ausfallrisiko ab.
Kurzfassung
In der Praxis spielen unterschiedliche Formen des Factoring eine Rolle. Auch für Werkstätten kann das Instrument zur Sicherung der Liquidität interessant sein. Die verbreitete Annahme, Factoring sei nur etwas für große Unternehmen, ist falsch.
Kommentar
Eine gute Liquiditätsplanung und die Schaffung von Liquiditätsreserven sind für jeden Werkstattbetrieb unerlässlich. Dafür muss aber auch ein besonderes Augenmerk auf das Debitorenmanagement gelegt werden. Durch den Einkauf von teuren Ersatzteilen und durch eine schleppende Zahlungsmoral kann ein Betrieb schnell mal in finanzielle Engpässe geraten. Um dies zu vermeiden, muss eine funktionierende Debitorenbuchhaltung vorhanden sein, die die offenen Rechnungen im Blick hat, nach einer gewissen Zeit Mahnungen verschickt und gegebenenfalls ein Inkassoverfahren einleitet. Es gibt aber immer wieder Betriebe, bei denen es keinen klaren Prozess für das Forderungsmanagement gibt oder bei denen die Inhaber oftmals die Konfrontation mit dem Kunden wegen einer nicht gezahlten Rechnung scheuen. In diesen Fällen bietet es sich an, über den Verkauf der Forderungen, sprich Factoring nachzudenken. In einer derartigen Gemengelage kann es nämlich durchaus sinnvoll sein, lieber die Factoringgebühr in Kauf zu nehmen, aber dafür, relativ zügig nach der Rechnungserstellung einen Liquiditätszufluss im Betrieb zu haben.Maximilian Appelt Rechtsanwalt, Steuerberater
- Ausgabe 01/2017 Seite 52 (141.3 KB, PDF)