Die Entscheidung für einen weiteren Werksausbau im Porsche-Werk Leipzig fiel im März 2014 mit dem Ziel, die Produktion der neuen Generation Panamera komplett nach Leipzig zu holen. Bislang fand hier lediglich die Vor- und Endmontage der aus dem Volkswagenwerk Hannover gelieferten lackierten Karossen statt. Mit einer Investitionssumme von 500 Millionen Euro hat Porsche nicht nur den Standort Leipzig gestärkt, sondern in zwei Jahren Bauzeit unter anderem auch einen komplett neuen Karosseriebau für die Sportlimousine errichtet. Neben dem Macan ist der Panamera nun die zweite Baureihe, die vollständig in Leipzig gefertigt wird. Auf 56.000 Quadratmetern entstehen seit August 2015 mit Hilfe von 475 Robotern und 200 Mitarbeitern pro Schicht auf Basis des Modularen Standard Baukastens (MSB) die Karossen der zweiten Panamera-Generation.
Hohe Fertigungstiefe
Neben dem Karosseriebau wurden im Zuge der Erweiterungsmaßnahmen für den Panamera weitere Bereiche der Produktion ausgebaut, unter anderem die Kapazitäten in der Montage erhöht, die Infrastruktur angepasst sowie ein Logistikzentrum errichtet. Ein neues Qualitätszentrum bündelt auf 6.000 Quadratmetern alle Bereiche der Fahrzeugoptimierung an einem Ort.
Die Karosserie des Panamera wird auf Basis des flexiblen Modularen Standard Baukastens (MSB) innerhalb des Volkswagen-Konzerns gefertigt. So können neben verschiedenen Radständen auch spezifische Aufbauten umgesetzt werden. Alle Modelle werden dabei über die gleichen Fertigungsanlagen gefahren. Dass die richtige Baugruppe zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, überwacht ein übergeordnetes Fabrikleitsystem (Bodytracking). Bereits ab dem ersten Bauteil ordnet es den Baugruppen einen Fahrzeugauftrag zu und überprüft permanent, ob alle notwendigen Bauteile für den Auftrag vorhanden sind. Alle gefertigten Baugruppen und Karosserien werden dazu mittels eines QR-Codes sowie RFID, also der Identifizierung über elektromagnetische Wellen, markiert und mehrfach während des Fertigungsdurchlaufs geprüft. Dies ermöglicht eine lückenlose Identifikation, Steuerung und Visualisierung aller Fertigungsparameter im Karosseriebau. So entstehen aus 430 Einzelteilen im Schnitt 13 Panamera-Karosserien pro Stunde mit einer Fertigungstiefe von 90 Prozent.
Moderne Fügetechniken
Beim Aufbau der Karosserien setzt Porsche auf eine Leichtbau-Matrix, die sicherstellt, dass ein Werkstoff seinen speziellen Eigenschaften entsprechend zielgerichtet eingesetzt wird. So besteht die Außenhaut komplett aus Aluminium, insgesamt hat die Karosse einen Aluanteil von 45 Prozent und erreicht ein Gewicht von 325 Kilo. Um Aluminiumbleche, Aluminiumguss und hochfeste Stahlbleche miteinander zu verbinden, kommen neueste mechanische und thermische Fügetechniken zum Einsatz. Gegenüber dem Macan hat der neue Panamera beispielsweise nur halb so viele Schweißpunkte. Im Gegenzug werden unter anderem 600 Flowdrill-Schrauben pro Karosse verarbeitet. Diese fließlochformenden Schrauben werden unter Druck und mit hoher Geschwindigkeit eingedreht. Dabei schneiden sie nicht nur ihr Gewinde selbst, sondern erhitzen sich und das Material so stark, dass es förmlich miteinander verschmilzt. Daneben werden die Verfahren Stanznieten, Alu-Laserschweißen und Clinchen eingesetzt. Das Clinchen, auch Durchsetzfügen genannt, verbindet durch Druck verschiedene Bleche miteinander. Eine weitere fügetechnische Besonderheit ist das Rollfalzen der Seitenwände an die Karosserie. "Beim formschlüssigen Verbinden der leichten Aluminiumseitenwand mit den hochfesten Blechen der Karosseriestruktur kombinieren wir das Rollfalzen mit einem Klebeverfahren", sagt Christoph Beerhalter, Leiter Karosseriebau in Leipzig. Jedes Fahrzeug besitzt insgesamt mehr als 200 Meter Klebenaht, auch um Aluminium und Stahl zum Korrosionsschutz galvanisch zu trennen. Darüber hinaus kommen Bolzenschweiß-, Widerstandsschweiß- und Klebetechniken zum Einsatz. Im MIG/MAG-Schweißverfahren werden über 15.000 Schweißnähte gelegt.
Nachhaltige Technik
Die neuen Fügetechniken wurden auch unter dem Aspekt der Energieeffizienz entwickelt. Eine neue Photovoltaik versorgt den Karosseriebau mit vier Megawattstunden Energie, ergänzt durch ein angrenzendes Blockheizkraftwerk. Neben den neuen Fügetechniken sorgen zum Beispiel eine neu programmierte Servopneumatik an den Schweißzangen oder der völlige Verzicht auf Druckluft an einigen Komponenten für Energieeinsparungen. Bereits für den Macan wurden Roboter-Schweißzangen mit einer Kühlung mit Wärmerückgewinnung entwickelt, die jährlich 365.000 kWh einsparen. Laut Karosseriebau-Leiter Beerhalter gibt es für alle im Werk eingesetzten Füge- und Verbindungstechniken auch Reparaturlösungen für die Werkstatt. Welche genau das sind, wollte Porsche zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht kommunizieren.
Kurzfassung
Porsche baute sein Werk Leipzig für den neuen Panamera aus, der jetzt komplett dort gefertigt wird. Der Materialmix der Karosserie erfordert modernste Fügeverfahren, die gleichzeitig sehr energieeffizient sind.
Taktgeber Logistik
Das Porsche-Produktionssystem gewährleistet, dass ein neues Fahrzeug optimal produziert werden kann. Dabei steht die Logistik vor der großen Herausforderung, die hohe Varianz in den Ausstattungen der Fahrzeuge abzubilden und punktgenau das richtige Material für das richtige Fahrzeug bereitzustellen. Dazu erreichen pro Arbeitstag 17.000 Ladungsträger für die Montage und 8.600 Ladungsträger für den Karosseriebau in ca. 550 Lkw das Werk Leipzig. In den logistischen Versorgungszentren Karosseriebau und Montage wird aus diesen Ladungsträgern in der richtigen Reihenfolge das Material kommissioniert, sequenziert oder sortenrein in der Fertigstellung bereitgestellt. Am Tag sind 270.000 so genannte Picks notwendig, also einzelne Teile, die automatisch oder durch Mitarbeiter kommissioniert und an den Einbauort gebracht werden. Ein Schwerpunkt in der Versorgung der Montage bildet die Just-in-Sequence-Belieferung von circa 75 Modulen, zum Beispiel der Cockpits. Diese werden direkt vom Lieferanten ohne Zwischenlagerung im Werk exakt in der richtigen Reihenfolge und zum richtigen Termin angeliefert und am Einbauort bereitgestellt.
- Ausgabe 01/2017 Seite 30 (304.5 KB, PDF)