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Automatisiertes Fahren: Grenzen der Sicherheit

12.05.2016 11:00 Uhr
Automatisiertes Fahren: Grenzen der Sicherheit

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Autos dürfen heute noch nicht, was sie eigentlich schon könnten. Die Vision vom automatischen Fahrroboter, der seine Fahrgäste autonom von A nach B bringt, wird wohl schon aus rechtlichen Gründen nicht so schnell in die Realität umgesetzt werden. Denn immer noch gilt die Devise: Das letzte Wort und damit die Verantwortung für das Fahrzeug hat der Fahrer. Festgeschrieben ist das im Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr, einem internationalen Vertrag aus dem Jahr 1968 zur Standardisierung wichtiger Verkehrsregeln. Es schreibt vor, dass der Fahrzeugführer jederzeit sein Fahrzeug beherrschen muss und stets in der Lage sein muss alle Fahrbewegungen selbst auszuführen.

Das Recht hinkt hinterher

2014 wurde das Regelwerk erweitert, damit Fahrzeuge zumindest zeitweise auch autonom fahren können. Allerdings müssen die Systeme jederzeit vom Fahrer übersteuert oder abgeschaltet werden können. Auch viele zulassungsrechtliche Fragen müssen erst noch geklärt werden. Das gilt für alle Systeme, bei denen der Fahrer die Hände vom Lenkrad nimmt. Bislang sind solche Testfahrten der Hersteller auf der Straße nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Zulassungsrechtlich sei vor allem die UN-ECE-Richtlinie für Lenk- und Bremsanlagen anzupassen, fordert der Verband der Automobilindustrie (VDA). Aktive Lenkeingriffe oberhalb einer Geschwindigkeit von 10 km/h sind derzeit noch ausgeschlossen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) hat deshalb auf nationaler Ebene das ehrgeizige Forschungsprojekt "Pegasus" ins Leben gerufen. Im Rahmen des Projekts sollen Grundlagen für die Entwicklung von Testmethoden, insbesondere für das hochautomatisierte Fahren auf Autobahnen bis Tempo 130 km/h, entwickelt werden. Neben dem Who's who der deutschen Automobilindustrie, Zulieferern und IT-Spezialisten ist auch TÜV SÜD Projektpartner bei Pegasus. Die Prüforganisation leitet gemeinsam mit Daimler und BMW eines von vier Teilprojekten. Zu den Aufgaben gehören die Vorbereitung und Durchführung von Tests und Simulationen von Fahrsituationen. Die Kernfrage, die in dem Projekt Pegasus beantwortet werden soll, lautet: Was muss ein hochautomatisiertes Auto leisten und wie kann die Zuverlässigkeit der Systeme nachgewiesen werden?

TÜV SÜD bringt bei der Wirksamkeitsbewertung und beim Testen von Fahrerassistenzsystemen bereits jahrelange Erfahrung mit. Die Prüforganisation ist dabei eng eingebunden in die Entwicklung von Hardware und Software. Vor allem muss sichergestellt sein, dass die Systeme in jeder nur denkbaren Fahrsituation funktionstüchtig sind. "Da bringen wir aus der Vergangenheit sehr viel Erfahrung mit", sagt Alexander Kraus, Senior Vice President Automotive TÜV SÜD Mobility Division. Bisher basiert die Entwicklung in der Fahrzeugindustrie darauf, dass technische Systeme auf der Teststrecke getestet wurden. "Das wird für das vollautomatisierte Fahren nicht ausreichen", sagt Kraus. "Neben der Technologie müssen die Methoden zur Wirksamkeitsbewertung und zur funktionalen Sicherheitsbewertung weiterentwickelt werden."

Schutz vor Hackern

Die größte Herausforderung: Mehr als 10 hoch 9 mögliche Szenarien können im Straßenverkehr eintreten. Ergänzend zum Testen im Realbetrieb wird das Thema Simulation immer wichtiger. Dazu müssen die Softwareprogramme erst noch entwickelt werden. Künftig sind Szenarien vorstellbar, wo neue Funktionalitäten auf das Auto per WLAN aufgespielt werden, ähnlich wie eine App auf das Smartphone.

Nach spektakulären Hackerangriffen auf Fahrzeuge zeichnet sich ein weiteres Thema ab, das die Prüforganisationen beschäftigen wird: Die IT-Security, also der Schutz von automatisierten Fahrzeugen vor Angriffen von außen.

Kurzfassung

Automatisierte Funktionen, die in die Fahrdynamik eines Autos eingreifen, müssen in jeder denkbaren Fahrsituation funktionieren. Um das zu gewährleisten, müssen Prüfmethoden erst noch entwickelt werden. TÜV SÜD ist hier ganz vorne mit dabei.

Interview mit Alexander Kraus, TÜV SÜD

asp: Welche Bedeutung hat das Projekt Pegasus?A. Kraus: Aus unserer Sicht gehört Pegasus in seiner Relevanz, Größenordnung und Reichweite europaweit zu den wichtigsten Projekten zum automatisierten Fahren. Das zeigt schon die namhafte Liste der beteiligten Industrieunternehmen, Instituten und Prüforganisationen. In dem auf drei Jahre angelegten Projekt arbeiten wir konzentriert daran, die Wirksamkeit und Zuverlässigkeit der technischen Systeme für das automatisierte Fahren zu simulieren und zu testen.asp: Welche Aufgabe hat TÜV SÜD ganz konkret?A. Kraus: Im Rahmen von Pegasus werden Werkzeuge, Messparameter und Prozesse entwickelt, um die Wirksamkeits- und Zuverlässigkeitsanalyse für automatisierte Systeme durchführen zu können. Szenarien für den Verkehr, die zunächst im Computer gerechnet und simuliert werden, müssen irgendwann in die reale Welt übertragen, im Fahrversuch abgeglichen und in standardisierte Methoden entwickelt werden. TÜV SÜD versteht sich als einziger technischer Dienst im Projekt einerseits in der Rolle des neutralen Partners, der die Ergebnisse in die entscheidenden Gremien trägt, die Zulassungs- und Testprozeduren festlegen. Zum anderen definieren wir die Prüfgeländetests und führen diese mit eigenen Ressourcen auch durch.asp: Wo steht Deutschland technologisch?A. Kraus: Die deutschen Autohersteller und Zulieferer sind aus meiner Sicht auf jeden Fall Technologieführer. Die Stärke der deutschen Automobilindustrie besteht auch in der langen Tradition. Man hat hier mehr als hundert Jahre Erfahrungen mit Fahrzeugen gesammelt, das können IT-getriebene Anbieter wie Google oder Apple nicht so schnell aufholen und das lässt sich auch nicht ohne Weiteres zukaufen. Hier darf man aus meiner Sicht die Innovationskraft der Automobilindustrie nicht unterschätzen.asp: Wann kommen die ersten Fahrroboter auf die Straße?A. Kraus: Wir gehen davon aus, dass wir in den nächsten zehn Jahren vollautomatisierte Fahrzeuge zunächst auf der Autobahn sehen werden. Erst im zweiten Schritt sind Fahrroboter, in denen kein Fahrer mehr an der Steuerung beteiligt ist, in Städten vorstellbar. Hier ist die Komplexität der Verkehrssituationen einfach noch viel größer. Die Technologie ist im Prinzip da. Aber es ist eine große Herausforderung, mit einer Vielzahl an Verkehrsteilnehmern die Sicherheit jederzeit zu gewährleisten.asp: Durch die jüngste Änderung des Wiener Übereinkommens werden teil- und hochautomatisierte Systeme zulässig. Autonomes Fahren ist aber dadurch noch nicht erlaubt.A. Kraus: Die Industrie sagt deshalb zu Recht, dass die jüngste Änderung zwar ein wichtiger Schritt in Richtung hochautomatisierte Systeme ist. Fahrroboter wären dadurch aber nicht möglich. Die Industrie würde hier gerne noch viel schneller vorankommen.

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