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Freier Kfz-Teilemarkt: Drastische Veränderungen

12.05.2016 11:00 Uhr
Freier Kfz-Teilemarkt: Drastische Veränderungen

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Der Verein Freier Teilehandel VREI warf einen Blick in die Zukunft. Am Ende des Marketing-Kongresses in Frankfurt war vor allem eines klar: Neue Mitspieler werden die Spielregeln des Marktes verändern und den direkten Kontakt zum Endkunden an sich ziehen, Autos werden rollende Computer sein und der Werkstattkunde hat ein ziemlich genaues Gespür dafür, wie viel ein Ersatzteil kosten darf und wo er es notfalls billiger bekommt.

Das alles wird dafür sorgen, dass Kfz-Ersatzteile schneller den Weg vom Teilehersteller in die Werkstatt finden. Zwischenstufen des Teilehandels werden verschwinden, in bestimmten Bereichen könnte der Handel ganz überflüssig werden. Beispiel Schadensteuerung: Antti Wolk von der Unternehmensberatung Wolk After Sales Experts rechnet damit, dass das Potenzial für das Routing in die Werkstatt durch den Versicherer bei 25 Prozent liegen könnte gemessen am gesamten Fuhrpark in Deutschland. "Versicherer könnten eines Tages auf die Idee kommen, Teile direkt beim Teilehandel zu kaufen", sagte Wolk mit Blick auf den größten Kfz-Versicherer HUK-Coburg mit über elf Millionen Kfz-Kunden. Der Versicherer verfügt heute über 1.200 angeschlossene Servicepartner, die an der Schadensteuerung teilnehmen. Derzeit baut HUK ein eigenes Werkstattkonzept mit zunächst 300 Werkstätten auf, die Wartung und Reparaturen nach Herstellervorgaben zu Festpreisen durchführen werden. Spätestens dann stellt sich die Frage, wo die Teile herkommen, die dort verbaut werden.

"Versicherer werden in ihren Werkstätten auf lange Sicht nicht nur mehr Originalteile vom Autohersteller verbauen", glaubt Wolk. "Man geht dazu über auch Originalteile vom Teilehersteller ohne OE-Stempel einzubauen. Der nächste Schritt wäre dann die Reparatur mit günstigeren Identteilen." In der Konsequenz würde die strikte Trennung von Herstellerservice und freiem Aftermarkt mehr und mehr aufgehoben.

Wolks These: Über kurz oder lang werde sich an der Schnittstelle zwischen Werkstattkunde und Werkstatt eine Vermittlerinstanz setzen. Diese Rolle kann von Versicherungen übernommen werden, aber auch von Leasing-Unternehmen oder von Onlineplattformen. Dass Kunden, die über eine Onlineplattform Kfz-Teile kaufen, auch gleich in die passende Werkstatt geroutet werden, könnte ein nächster Schritt sein. Erfolgreich praktiziert wird das innerhalb der eigenen Marke von den Werkstattketten wie A.T. U., Euromaster oder Pitstop. Auch Reifenplattformen im Internet haben teilweise das Werkstattrouting bereits implementiert. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Onlineportale in das Vermittlungsgeschäft von Kunden an Werkstätten einklinken", ist Wolk überzeugt.

Autohersteller erobern Markt zurück

Viel diskutiert wurde über mögliche Servicestrategien der Markenhersteller, die in den letzten Jahren massiv Marktanteile im Service verloren haben. "Die Hersteller haben im Service in den letzten sechs Jahren 28 Prozent verloren", rechnete Gwenael de Calan von der Unternehmensberatung GIPA vor. "Die Konzerne werden alles tun, um die Mauern zwischen Markenservice und IAM einzureißen", ist sich der Marktkenner sicher. Bestes Beispiel hierfür sei derzeit der französische Konzern PSA Peugeot Citroën, der bereits viele Kanäle außerhalb der angestammten OEM-Welt bedient. Die Franzosen haben vergangenes Jahr die Teileplattform Mister Auto gekauft und steigen damit direkt in den freien Online-Teilemarkt ein. Das ist ein weiterer Schritt Richtung freier Aftermarket, nachdem PSA schon mit der Mehrmarkenkette Eurorepar Car Service erfolgreich den markenunabhängigen Servicemarkt bedient. Die Zielsetzung ist klar: Die Franzosen wollen mit dem Serviceangebot vor allem die Besitzer älterer Fahrzeuge erreichen, die keinen großen Wert auf den Einbau von Originalersatzteilen legen.

Marktmacht der Investoren

Der Teilehandel wird sich auch deshalb verändern, weil finanzstarke Investoren und große Handelsgruppen den Markt entdecken, vornehmlich aus dem Ausland. Beispiele für große neue Player im Kfz-Teilehandel sind die französische "Alliance Automotive Group", die US-amerikanische Gruppe LKQ oder die erst 2014 gegründete Handelskooperation Nexus. Erst im vergangenen Jahr hat Alliance Automotive Group den deutschen Teilehändler Coler gekauft.

"Die klassischen Preisstrukturen im Teilehandel verändern sich, die Abverkaufspreise werden auf allen Handelsstufen sinken", prognostizierte Marcus Scheelen von Efficons. Dazu trägt auch die größere Transparenz bei, die die digitalen Medien im Bereich Autoteile schaffen: "Die Kunden haben heute im Internet die Möglichkeit, Preise zu vergleichen. Der Werkstattkunde ist nicht länger das dumme Schaf, das nichts über die Qualität von Teilen weiß", so Scheelen. Je nachdem, wie stark und wie schnell sich die Elektromobilität durchsetzt, könnte der Teilemarkt ein Problem bekommen, stellte Stephanie Fiegert von dem Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK fest. Die Zahl der Verschleißteile im Elektroauto könnte von 1.400 auf nur noch 210 Teile sinken. Die gute Nachricht kam von Michael Borgert, Geschäftsführer der Unternehmensberatung BBE: In einer Umfrage unter jungen Menschen von 18 bis 39 Jahren hat man keine Anzeichen dafür gefunden, dass das Auto in Zukunft weniger wichtig sein wird als heute.

Kurzfassung

Die Veränderungen im Service werden auch zu neuen Strukturen im Teilehandel führen. Durch die neue Transparenz für Endkunden im Internet wird der Preiskampf noch härter. Hersteller versuchen, verlorenes Terrain wieder gutzumachen.

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