-- Anzeige --

3D-Druck: Digitale Fertigungswelten

27.07.2017 11:00 Uhr
3D-Druck: Digitale Fertigungswelten

-- Anzeige --

Ein gewisser Michelangelo Buonarroti gab sich zur Zeit der Hochrenaissance vor über 500 Jahren bescheiden: Er habe von seinem David nur den überflüssigen Marmor meißeln müssen. Diese keineswegs ressourcenschonende Form des Schaffens nennt sich deduktives Verfahren. Eine spätere Innovation war das Spritzgussverfahren. Im Juni veranstaltete die Messe Erfurt die "RapidTech" und viele hofften dort auf den Durchbruch des 3D-Drucks. Die Geräte verwenden "additive" Fertigungsverfahren.

Auf Basis digitaler Konstruktionspläne tragen diese eine Vielzahl von Materialien schichtweise zu einem dreidimensionalen Objekt auf. Dieser Produktionsprozess findet in einem geschlossenen Bauraum statt, der kompakt wie ein Küchenherd sein, aber auch Garagengröße erreichen kann.

Die Aufmerksamkeitskurve für die Technologie zeigt derzeit wieder steil nach oben, nicht zuletzt, weil Konzerne wie General Electric und Autobauer wie VW, Ford oder BMW fleißig investieren und Kompetenzen aufbauen bzw. aufkaufen.

Trotzdem scheint es um den Hype, der die Medienlandschaft vor ein paar Jahren fest im Griff hatte, mittlerweile etwas ruhiger geworden zu sein. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" zitierte im Januar 2013 Bre Pettis mit den Worten: "Was die Erfindung des Desktop-Publishing für die Medienbranche war, ist die rasant fortschreitende Entwicklung des Desktop-Manufacturing für die fertigende Industrie." Doch als Chef des 3D-Druck-Herstellers MakerBot befand sich Pettis im Marketing-Modus - eine solche Schlagzeile findet sich heute seltener.

Vision, keine Utopie

Wenngleich das Potenzial nicht unterschätzt werden sollte: Die Neuordnung der Ersatzteilversorgung in deutschen Kfz-Werkstätten ist zwar noch Vision, aber keine Utopie. Robert Stache und André Heinrichs von der Volkswagen AG gewährten auf der Fachkonferenz "3D-Druck - additive Fertigung in der Automobilindustrie" Einblicke in die Entwicklung einer bionischen A-Säulen-Verstärkung für das VW Golf Cabriolet. Von den komplexeren Konstruktionsmöglichkeiten erhoffen sich die Forscher robustere und leichtere Karosserieteile. Mit dem 3D-Druck ist es möglich, komplexe Bauteile, die im herkömmlichen Maschinenbau nicht darstellbar sind, zu fertigen. Bei anderen Bauteilen sprechen Individualisierungsmöglichkeiten, Variantenvielfalt sowie beschleunigte Entwicklungszyklen für die additive Fertigung. Schließlich steht ein digital konstruiertes und ausgedrucktes Bauteil schneller zur Verfügung als ein im herkömmlichen Spritzgussverfahren produziertes Teil.

Vollendete Formen

Stache und Heinrichs dämpfen jedoch die Euphorie: Ihnen zufolge ist der Einsatz im Automobilbau trotz deutlicher Kostensenkungen in absehbarer Zeit weiterhin nur bei Einzelstücken und in der Kleinserie wirtschaftlich. Konkurrenzfähig dagegen ist der 3D-Druck beim Leichtbau.

Bei Opel in Rüsselsheim schätzt man additive Fertigung, weil Bauteile ohne Zwischenschritt ("tooling") aus digitalen Dateien gefertigt werden können, was laut Sylke Rosenplänter Zeit- und Kostenvorteile bringt. "Jedes Design kann realisiert werden, es gibt keine Beschränkungen wie bei konventionellen Produktionsmethoden", erklärte die Direktorin für Virtual Design Operations & Systems Development bei der Adam Opel GmbH auf der Fachkonferenz des Süddeutschen Verlags. Gegenwärtig nutze Opel die Technologie u. a. beim Bau von Prototypen. Im Bereich Rapid Prototyping haben sich die Drucker bereits durchgesetzt, bestätigte auch Bitkom. "Mussten früher oft in wochenlangen Prozessen neue Formen gegossen und Modelle gebaut werden, geschieht dies mittlerweile in wenigen Stunden", hieß es in einer Mitteilung des Branchenverbandes.

Im Prototypenbau von Opel findet 3D-Druck beim so genannten Packaging Anwendung. Dabei experimentieren Entwickler an einer bestmöglichen Anordnung der Komponenten im Motorraum. Auch im Bereich Aftersales prüft Opel derzeit additive Fertigungsmethoden, etwa in der Produktion von Ersatz- oder von Zubehörteilen, erklärte Rosenplänter. Bis die Nachteile des Druckverfahrens ausgeräumt sind, bleibt die Anwendung jedoch beschränkt: Die Herausforderungen betreffen u. a. das Datenmanagement, die Datenqualität und die manuelle Bestückung im Vorfeld. Auch die Nachbehandlung ist zeit- und kostenintensiv, erklärten Robert Stache sowie André Heinrichs von VW und verwiesen auf die notwendigen Schritte beim Bauteil-Handling (Entfernung der Stützstruktur sowie eine Nachbehandlung der Oberfläche).

Noch keine Massenproduktion

3D-Drucker eignen sich bislang nicht für die Massenproduktion, weil der Prozess zu viel Zeit in Anspruch nimmt. Laut Petra Fastermann wird sich das in den nächsten Jahren aber ändern. In ihrem Beitrag "3D-Druck: eine nachhaltige und Energieeffizienz fördernde Technologie" in dem Springer-Fachbuch "Industrielle Energiestrategie" von 2017 geht sie von einer Verzehnfachung der Druckgeschwindigkeit innerhalb der nächsten Jahre aus. Darauf setzt offenbar auch der Autohersteller PSA. Im Herbst 2016 kündigte das Unternehmen eine Kooperation mit Divergent 3D an. Man nutze ergänzende Produktionsverfahren seit vielen Jahren für kleine Pilotserien. Nun wolle man die Entwicklung und Fertigung der gesamten Fahrzeugstruktur umgestalten - das Ziel seien strukturell leichtere, rentablere und umweltfreundlichere Fahrzeuge, hieß es in einer Mitteilung.

Güngör Kara, Director Global Application and Consulting beim oberbayerischen Hersteller und Weltmarktführer EOS, traut der Technologie viel zu: "Als führender Anbieter im industriellen 3D-Druckbereich sehen wir einen eindeutigen Trend weg vom klassischen Prototypenbau hin zur industriellen Vorserien- und Serienfertigung", erklärte er im März. Udo Hänle, Bereichsleiter für Produktionsstrategie und technische Integration bei BMW, gab sich im vergangenen Jahr zuversichtlich: "Additive Technologien stellen für die BMW Group eine der wesentlichen Produktionsmethoden der Zukunft mit einem vielversprechenden Potenzial dar." Seit über 25 Jahren nutze BMW 3D-Druck-Technologie. Klassische Anwendungsbeispiele sind maßgeschneiderte und komplexe Komponenten in überschaubaren Stückzahlen, nicht zuletzt bei Classic-Cars. Neue Anwendungsgebiete sind u. a. Kunststoffhalterungen für Warnblinker oder die Türentriegelungstaste für den Rolls-Royce Phantom sowie individualisierte Seitenblinker der "Drive Now" CarSharing-Flotte. Bei einer Social-Media-Kampagne stimmten Kunden über die Namen von 100 Mini-Flottenfahrzeugen ab, hieß es in einer Mitteilung.

Auch bei Toyota gibt es ebenso Individualisierungsbestrebungen auf 3D-Druck-Basis. Wie Yashuhide Yokoi, Industriedesigner bei der japanischen Firma Kabuku Inc., erläuterte, hat das "Toyota Open Road Project" zum Ziel, die neuen Elektro-Dreiräder der Marke i-ROAD zu personalisieren. Im Ergebnis ziert die Frontpartie ein in Form, Farbe und Muster unterschiedlich ausgedrucktes Kunststoff-Accessoire.

Kurzfassung

3D-Druck wird in der Automobilindustrie seit langem genutzt. Insbesondere im Bau von Prototypen und in der Kleinserie ist die additive Fertigung wirtschaftlich. Die neue Fertigungstechnologie erobert zunehmend Einsatzbereiche, wie auf einer Konferenz von Spezialisten in Bremen deutlich wurde.

-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --
-- Anzeige --

KOMMENTARE


SAGEN SIE UNS IHRE MEINUNG

Die qualifizierte Meinung unserer Leser zu allen Branchenthemen ist ausdrücklich erwünscht. Bitte achten Sie bei Ihren Kommentaren auf die Netiquette, um allen Teilnehmern eine angenehme Kommunikation zu ermöglichen. Vielen Dank!

-- Anzeige --

WEITERLESEN




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


asp AUTO SERVICE PRAXIS Online ist der Internetdienst für den Werkstattprofi. Neben tagesaktuellen Nachrichten mit besonderem Fokus auf die Bereiche Werkstatttechnik und Aftersales enthält die Seite eine Datenbank zum Thema RÜCKRUFE. Im neuen Bereich AUTOMOBILE bekommt der Werkstatt-Profi einen Überblick über die wichtigsten Automarken und Automodelle mit allen Nachrichten, Bildergalerien, Videos sowie Rückruf- und Serviceaktionen. Unter #HASHTAG sind alle wichtigen Artikel, Bilder und Videos zu einem Themenspecial zusammengefasst. Außerdem gibt es im asp-Onlineportal alle Heftartikel gratis abrufbar inklusive E-PAPER. Ergänzt wird das Online-Angebot um Techniktipps, Rechtsthemen und Betriebspraxis für die Werkstattentscheider. Ein kostenloser NEWSLETTER fasst werktäglich die aktuellen Branchen-Geschehnisse zusammen. Das richtige Fachpersonal finden Entscheider auf autojob.de, dem Jobportal von AUTOHAUS, asp AUTO SERVICE PRAXIS und Autoflotte.