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Führungsqualitäten: Aller Anfang ist schwer

17.11.2016 11:00 Uhr
Führungsqualitäten: Aller Anfang ist schwer

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Für Torsten Bayer, Gewinner des Wissenswettbewerbs Auto Service Meister 2016, ist Selbstständigkeit derzeit keine Option. Er plant nach der Meisterprüfung keine Existenzgründung oder Werkstattübernahme: "Ich sehe mich eher als praktischen Schrauber. Die Meisterschule ist für mich eine Investition in die Zukunft - zum Beispiel als Eintrittskarte in die Industrie." Selbstständigkeit oder nicht - diese Entscheidung will tatsächlich gut überlegt sein. Denn Peter Ullrich bringt es auf den Punkt: Für den Abteilungsleiter Berufsbildung und Projektleiter KOMZET-e bei der Innung des Kfz-Handwerks Hamburg ist ein Werkstattchef die "eierlegende Wollmilchsau". Organisation, Werkstattausstattung, Kfz-Technik, Azubi-Betreuung und vielleicht auch noch Serviceannahme - "das ist ein ordentliches Pensum", bilanziert Ullrich.

Kein Wunder, dass das für die Multitalente gerade am Anfang ihrer Selbstständigkeit viele Herausforderungen bedeutet. Zwar erhält man während des Meister-Lehrgangs erste Informationen zur Betriebsgründung und Werkstattleitung, viele Chefs in spe wechseln aber erst Jahre nach der Meisterprüfung in Führungspositionen, sodass alle Theorie verblasst und weitere Qualifizierung nötig ist - neben betriebswirtschaftlichem Know-how vor allem Soft Skills wie etwa Teamführung. Doch auf der anderen Seite ist es auch wichtig, mit ausreichend Praxiserfahrung und einer gewissen Seniorität in die Führungsposition zu starten - da sind sich Ullrich und sein Kollege Holger Laß, Obermeister der Kfz-Innung Hamburg, einig.

Stolpersteine gibt es trotzdem noch genug. Laut einer branchenübergreifenden Studie der H.E.I. Hamburger ExistenzgründungsInitiative und der Beratungsfirma Visbal Unternehmensentwicklung mit 2.000 kontaktierten Unternehmern aus dem Jahr 2014 haben 65 Prozent Schwierigkeiten in den ersten fünf Jahren nach Gründung. "Viele Existenzgründer unterschätzen die Anforderungen, vor denen sie als ihr eigener Chef stehen", weiß Unternehmensberater Thorsten Visbal. Schwierigkeiten sind in der Anfangszeit laut der Studie vor allem Auftragsrückgänge, unzureichende Liquidität, starke Konkurrenz und Fehler in der Planung. Als Erfolgsfaktoren erwiesen sich demnach dagegen insbesondere die folgenden Unternehmereigenschaften: Selbstmotivation, organisatorische Fähigkeiten, die richtige Einschätzung der eigenen Stärken und Schwächen und eine gute Kundenbindung. Und da ist sie wieder, die eierlegende Wollmilchsau ...

Das raten die Profi-Trainer

"Arbeite nicht im, arbeite am Unternehmen"Bernd Kerwien und Georg Hensch schulen Kfz-Profis als Trainer an der TAK (Akademie des ZDK). asp hat sie nach Herausforderungen und Tipps für junge Werkstattchefs gefragt.asp: Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sollten neue Werkstattchefs mitbringen?B. Kerwien: Es braucht Mut, eine gewisse Zähigkeit, Menschenkenntnis und hohe Leistungsbereitschaft. Man sollte in Chancen denken. Und natürlich die Themen Betriebswirtschaft, Marketing, Kundenorientierung, Wettbewerbsvergleich, Prozesse, Recht und Personalführung draufhaben. Man muss in Kennzahlen denken und sollte die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter realistisch einschätzen können.G. Hensch: Und man muss offen sein für neue technologische Konzepte - etwa neue Antriebsarten - und für neue Arbeitsweisen wie die Ferndiagnose.asp: Wie und wo erwirbt man diese Fähigkeiten?B. Kerwien: Man sollte sich möglichst schon im Vorfeld informieren. Unabhängig von der Branche gibt es die regionalen Wirtschaftsförderungsinstitutionen. Qualifizierungsangebote bietet die TAK (z.B. das Seminar "Meisterhaft führen"), zudem findet man online zahlreiche freie Seminaranbieter. Und auch die Hersteller bieten diverse Fortbildungen an - im Bereich Technik, aber auch Werkstattführung. Mit der Bundesfachschule für Betriebswirtschaft Kraftfahrzeuggewerbe (BFW) ist man ebenfalls gut beraten, wenn man eine Werkstatt neu gründet oder übernimmt.asp: Welche Herausforderungen stehen am Anfang der Karriere an?B. Kerwien: Ein neuer Werkstattleiter muss häufig ohne Vorbereitungszeit eine völlig andere Arbeit leisten und gleichzeitig ist der Arbeitstag auf einmal nicht mehr acht, sondern zehn Stunden lang. Für Gründer gilt, dass sie in der ersten Zeit eine 7-Tage-Woche erwartet. Und das 52 Mal im Jahr. Für einige Mitarbeiter sind sie auf einmal der "Ersatz-Papa". Generell sind Durchsetzungsvermögen, Disziplin und sich Respekt verschaffen weitere Herausforderungen. Und auch die Schnittstellenkommunikation zwischen den einzelnen Bereichen, also Service, Verkauf, Lager etc. muss gewährleistet sein.G. Hensch: Eine weitere Herausforderung ist es, den eigenen Führungsanspruch anzunehmen, egal welchen Führungsstil man wählt. Ein entsprechendes Auftreten ist gefragt. Das Annehmen der Führung verändert automatisch die Beziehung zu den Mitarbeitern - eine weitere Herausforderung.asp: Was macht einen guten Chef in einer Werkstatt aus?B. Kerwien: Ein guter Chef setzt die Mitarbeiter sinnvoll ein, schafft klare Abläufe und Zuständigkeiten und behält den Überblick. Für Gründer heißt das auch: Wie läuft mein Unternehmen eigentlich? Man sollte realistische Unternehmensziele definieren und im Auge behalten und vor allem die Belange der Mitarbeiter integrieren, beruflich wie privat - das ist gerade in Zeiten des Fachkräftemangels wichtig.G. Hensch: Man muss auch Leistung zulassen und dafür nötige Ressourcen schaffen, wenn der Mitarbeiter etwa nach Spezialwerkzeug fragt. So schafft man Wertschätzung der Mitarbeiter.asp: Welche Fehler begehen frischgebackene Chefs häufig?B. Kerwien: Werkstattleiter behalten häufig die Kumpelei mit ehemaligen Kollegen bei, was zu fehlendem Respekt führen kann. Ein weiterer Fehler kann das andere Extrem sein, wenn man zu sehr in die Chefrolle fällt und beim Team auf Ablehnung stößt. Auch wird häufig das neue Anforderungsprofil nicht erkannt, sodass junge Chefs weiterhin fachlich in Konkurrenz zu den Mitarbeitern treten - das ist kontraproduktiv. Für Gründer gilt die Devise: "Arbeite nicht im, arbeite am Unternehmen." Das heißt, man soll sich Freiräume schaffen, um das Unternehmen weiterentwickeln zu können und damit einem nicht Luft und Lust ausgehen.asp: Wie verschafft sich ein junger Chef Respekt bei seinen Mitarbeitern?B. Kerwien: Kumpelei vermeiden, saubere Abläufe und Aufgabenverteilungen schaffen, am Vorabend den nächsten Tag planen, um Flüchtigkeitsfehler und damit ein unorganisiertes Bild bei den Mitarbeitern zu vermeiden. Für Werkstattleiter ist außerdem ein gutes Standing gegenüber der Geschäftsleitung wichtig.G. Hensch: Eigene Fehler auch mal zugeben und damit signalisieren, dass man auch nur ein Mensch und zudem bereit ist, etwas zu lernen - auch das erwarten die Mitarbeiter.asp: Welche Rolle spielen Alter und Erfahrung in Führungspositionen?B. Kerwien: Häufig helfen Alter, Reife und Erfahrung. Aber es gibt auch junge Führungskräfte, die in der Lage sind, ein Team und ein Unternehmen zu führen. Ein paar Falten im Gesicht bedeuten also keinen Freifahrtschein.asp: Was sind Besonderheiten der Personalführung in der vermeintlich "burschikosen" Werkstatt-Branche?B. Kerwien: Teilweise ist die Grätsche zwischen Bitte und Befehl schwierig. Dabei hilft es, wenn man als Werkstattchef selber aus der Branche kommt, den Stallgeruch also kennt und sich darüber hinaus Kenntnisse in Führung, Menschenkenntnis, Kommunikation und Teamführung aneignet.G. Hensch: Auch der Umgang mit Mitarbeitern aus anderen Branchen ist eine Besonderheit - so kann es etwa sein, dass Werkstattchefs im Zuge der technischen Innovationen wie der Elektromobilität Mitarbeiter mit ganz neuen Qualifikationen im Team haben.asp: Wie können sich Führungskräfte gegenüber Mitarbeitern behaupten, die früher noch Teamkollegen waren?B. Kerwien: Man muss die Macht annehmen, sich seiner Führungsrolle bewusst sein. Wichtig ist es, Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu delegieren, vereinbarte Leistungen aber auch einzufordern, das Team also zu erziehen, dass sie die Macht akzeptieren, auch wenn das auf eine Konfrontation hinausläuft. Und: Konsequenzen nicht nur androhen, sondern auch durchführen.G. Hensch: Das Führungsteam muss außerdem eine Durchgängigkeit gegenüber den Mitarbeitern haben, das heißt zum Beispiel, dass ein neuer Werkstattleiter Rückendeckung vom Chef benötigt.

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